Vom Pfennigfuchser zum Bankenschreck: Direktbank ING-DiBa wird 50
Frankfurt (APA/dpa) - Mit Kleinstbeträgen fing 1965 alles an, heute verwaltet die ING-DiBa Milliarden. Gegründet von einem Gewerkschafter ha...
Frankfurt (APA/dpa) - Mit Kleinstbeträgen fing 1965 alles an, heute verwaltet die ING-DiBa Milliarden. Gegründet von einem Gewerkschafter hat sich die Direktbank zu einer Branchengröße gemausert. Experten mahnen allerdings: Das Geschäftsmodell hat auch seine Tücken.
Eine Bank ohne Filialen - kann das funktionieren? Die Gründerväter der Direktbank ING-DiBa waren davon schon vor 50 Jahren überzeugt. Und das, obwohl Telefone in der jungen Bundesrepublik Mangelware waren und die meisten Kunden per Brief mit ihrer Bank kommunizieren mussten. Heute ist die einstige Gewerkschaftsbank, die inzwischen zu 100 Prozent zur niederländischen ING gehört, mit 8,3 Millionen Kunden in Deutschland und Österreich Europas größte Direktbank. In Österreich ist die ING-DiBa mit ihrer Niederlassung ING-DiBa Direktbank Austria vertreten. Die Zahl der Kunden lag in Österreich im Vorjahr bei mehr als 524.000.
An diesem Samstag (10.10.), einen Tag vor dem Jubiläum, wird das 50-jährige Bestehen in Frankfurt gefeiert.
„Die deutschen Banken kommen mir vor wie ein alter Hund, der satt ist“ - Georg „Schorsch“ Leber ist sauer. Als Chef der damaligen Gewerkschaft Bau-Steine-Erden hat der Sozialdemokrat und spätere Verteidigungsminister 1965 gerade den ersten Tarifvertrag zur Vermögensbildung für Arbeitnehmer durchgesetzt. Bauarbeitgeber müssen fortan pro Stunde neun Pfennig für die Vermögensbildung zahlen, Arbeitnehmer müssen zwei Pfennig von ihrem Lohn drauflegen.
Doch viele Banken und Sparkassen tun sich offensichtlich schwer mit den Pfennigbeträgen. Da gründet Leber kurzerhand eine eigene Bank: Aus der Gewerkschaftsbank BfG (Bank für Gemeinwirtschaft) heraus entsteht die Bank für Sparanlagen und Vermögensbildung (BSV). Am 11. Oktober 1965 wird das Institut gegründet, zehn Tage später ins Handelsregister der Stadt Frankfurt am Main eingetragen - es sind die Wurzeln der heutigen ING-DiBa.
„Wir wurden 1965 gegründet, um die Bank des kleinen Mannes zu sein“, erklärt der heutige ING-DiBa-Chef Roland Boekhout. „Wir haben mit Kleinstbeträgen hantiert, die andere Banken nicht haben wollten. Da mussten wir, um profitabel zu sein, sehr effizient arbeiten. Ich denke, das machen wir noch heute.“
Pünktlich zum Jubiläumsjahr bescherte sich die Bank Rekordzahlen: Der Vorsteuergewinn kletterte 2014 auf 888 (Vorjahr: 691) Mio. Euro, der Überschuss erreichte 599 (474) Mio. Euro. Ein Vorteil: Die ING-DiBa muss nicht wie die meisten Konkurrenten ein teures Filialnetz mühsam an digitale Zeiten anpassen.
„Allerdings ist die Neukundengewinnung für Direktbanken damit auch relativ teuer“, meint Bankenexperte Martin Faust. „Die Direktbanken stecken im Grunde in der Zwickmühle: Sie müssen attraktive Konditionen bieten, aber das ist aktuell relativ teuer.“ Zudem ließen sich zwar viele Kunden mit vergleichsweise hohen Tagesgeldzinsen locken, dabei bleibe es dann aber oft auch. „Bei komplizierteren Produkten, die sich für Banken vom Profit her eher lohnen, wollen viele Kunden nach wie vor eine Beratung im klassischen Sinne“, sagt Faust.
Die ING-DiBa-Vorgängerin BSV führt trotz eines rasanten Starts bis in die 1980er Jahre hinein ein Nischendasein. 1980 haben gerade 400.000 Deutsche ein Konto bei filiallosen Banken. Für die BSV folgen turbulente Jahre: Missmanagement und kriminelle Machenschaften beim gewerkschaftseigenen Immobilien-Giganten Neue Heimat (NH) bringen auch die geldgebende BfG in Schwierigkeiten. Die BfG wird verkauft, die Direktbank BSV überlebt und ändert 1993 ihren Namen in Deutsche Direktbank und wenig später in Allgemeine Deutsche Direktbank („DiBa“). 1998 steigt die ING als Großaktionär ein, 2003 übernehmen die Niederländer die DiBa vollständig.
Die „Aldi-Bank“ mauserte sich zum „Schrecken der traditionsreichen Kreditinstitute“ („Stern“/2003). Die wehrten sich bisweilen hartnäckig: So schwelte seit Anfang 2008 über Jahre ein Streit mit den Sparkassen um die Nutzung von deren Geldautomaten. Da konnte es passieren, dass Kunden von ING-DiBa oder Comdirect mit der Visa-Karte am Sparkassen-Automaten kein Geld bekamen. Die Sparkassen fanden, sie bekämen einfach zu wenig Gebühren dafür, dass die Kundschaft der Direktbanken-Konkurrenz ihr - nicht ganz billiges - engmaschiges Automatennetz nutzt. Immer wieder trafen sich die Kontrahenten vor Gericht, mal bekam die eine, mal die andere Seite recht.
Dass sie es trotz ihrer betont lockeren Art nicht allen recht machen kann, musste die ING-DiBa Anfang 2012 erfahren: Ein TV-Spot mit Basketball-Star Dirk Nowitzki rief Vegetarier und Veganer auf den Plan. Der 45-Sekunden-Film zeigt den 2,13-Meter-Mann in der Metzgerei seiner Kindheit. Eine Mitarbeiterin reicht ihm eine Scheibe Wurst über die Theke mit den Worten: „Was haben wir früher immer gesagt?“ Nowitzki: „Damit Du groß und stark wirst.“ Schallendes Gelächter. Doch was ein Sparprodukt bewerben sollte, provozierte auf der Facebook-Seite der ING-DiBa eine Diskussion über Sinn und Unsinn von Fleischverzehr - bis die ING-DiBa dem einen Riegel vorschob.