Syrien - CARE: „Fassbomben auf Zivilisten sind Kriegsverbrechen“

Amman (APA) - Angesichts der sich mehrenden Rufe nach der Einbindung von Machthaber Bashar al-Assad in Gespräche, um eine Lösung im blutigen...

Amman (APA) - Angesichts der sich mehrenden Rufe nach der Einbindung von Machthaber Bashar al-Assad in Gespräche, um eine Lösung im blutigen Bürgerkrieg in Syrien herbeizuführen, bezieht Wouter Schaap von CARE International in Jordanien Stellung. „Gezielte Fassbombenangriffe auf Spitäler und zivile Nachbarschaften sind ein Kriegsverbrechen“, sagte er unter Verweis auf das Vorgehen von Assads Regierungstruppen.

„Krieg ist Krieg und jeder weiß, dass Menschen in Kriegszeiten sterben. Aber auch in Kriegszeiten gibt es Regeln, die jeder befolgen muss“, so der amtierende Direktor der Hilfsorganisation im Haschemitischen Königreich. Über 90 Prozent der zivilen Todesopfer im Syrien-Konflikt seien aufgrund von Fassbombenangriffen und anderen Attacken auf zivile Ziele zu beklagen, nicht aufgrund der jihadistischen Organisation „Islamischer Staat“ (IS).

Innerhalb der letzten sechs Monate habe CARE rund 2.000 Fassbombenangriffe im Süden Syriens gezählt. „Fassbombenangriffe müssen thematisiert und gestoppt werden, das ist eine wichtige Vorbedingung um eine friedliche Lösung in diesem Konflikt zu erreichen“, erklärte Schaap weiter und appellierte an die Internationale Gemeinschaft, sich diesem Thema anzunehmen.

Schaap reagierte damit auf den immer lauter werdenden Ruf nach Verhandlungen mit Assad. Auch mehrere österreichische Politiker sprachen sich in den vergangenen Wochen für eine Einbindung des syrischen Präsidenten aus. Bundespräsident Heinz Fischer und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) plädierten erst kürzlich bei der UNO-Generalsversammlung in New York erneut dafür. Fischer erörterte dort das Thema auch mit dem jordanischen König Abdullah, der nach einer Einladung des Bundespräsidenten noch heuer in Wien erwartet wird.

Bei einem Lokalaugenschein in Jordanien nannten einige Schutzsuchende gegenüber der APA Fassbombenangriffe als ihren ultimativen Fluchtgrund aus Syrien. Einige davon machten auch ohne Umschweife die Regierungstruppen für gezielte Angriffe auf Märkte verantwortlich. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind im syrischen Bürgerkrieg, der im März 2011 seinen Anfang nahm, bereits über 250.000 Menschen ums Leben gekommen.

Schaap meinte zudem, dass der Syrien-Konflikt „nicht durch mehr Bombardierungen“ zu lösen sei. Die Internationalisierung der Krise nimmt nach Ansicht von Schaap zu. Damit spielte er auf das militärische Eingreifen der USA und anderer westlicher Staaten sowie des Iran und weiterer Regionalmächte sowie zuletzt auch Russlands an. „Es sieht nicht so aus, als würde die Situation besser werden, eher komplizierter.“

Die Hauptursachen für die Emigration vieler Flüchtlinge in ein drittes Land liegen laut Schaap in radikalen Kürzungen der Hilfsgelder sowie in der Tatsache, dass sich kein Ende im Syrien-Konflikt abzeichnet. „In unserer Flüchtlingsstudie aus 2014 in Jordanien war die Migration in ein drittes Land nicht das Hauptthema. Im Mittelpunkt stand eine Rückkehr nach Syrien. In unserer Flüchtlingsstudie 2015 (...) wurde mit den finanziellen Kürzungen im Gesundheitsbereich und bei der Nahrungsmittelhilfe die Emigration aus der Region zum Thema“, sagte Schaap. „Die Menschen haben ihre Hoffnung auf eine Rückkehr nach Syrien aufgegeben.“

Damit lieferte Schaap eine Erklärung dafür, warum sich heuer Hunderttausende Menschen auf den Weg nach Europa machten - und immer noch machen. Die härtesten Einschnitte bei der Unterstützung für Flüchtlinge erfolgten laut mehreren CARE-Mitarbeitern Ende 2014 sowie im Sommer 2015. So wurden demnach beispielsweise rund 229.000 Flüchtlinge in Jordanien aus der Nahrungsmittelhilfe ausgeschlossen, rund 211.000 erhalten monatlich nur noch umgerechnet 12,48 Euro pro Person. Zuvor bekamen sie 31,20 Euro. In Jordanien gilt ein Haushalt mit fünf Personen und einem Einkommen von weniger als 700 Jordanische Dinar (873,69 Euro) als verarmt. Das trifft laut CARE inzwischen auf bis zu 85 Prozent der syrischen Flüchtlinge im Land zu.

Schaap plädierte zudem dafür, mehr Hilfsgelder in der Region einzusetzen. Bei der Konfrontation mit Hunderttausenden Flüchtlingen, habe Deutschland etwa sechs Milliarden Euro zu deren Versorgung im eigenen Land bereitgestellt, so der Niederländer. Mit dem gleichen Geld könne man in der Region um Syrien weit mehr Unterstützung leisten. „Natürlich ist es gut, dass Europa Flüchtlinge aufnimmt“, sagte Schaap. „Aber zugleich muss man die Zahlen auch in ein Verhältnis setzen: Die Wurzel der Migration nach Europa liegt hier. Deshalb sollte man die Probleme auch hier angehen.“

Um Jordanien, dem Libanon und der Türkei bei der Bewältigung der zusätzlichen Belastung durch die hohen Flüchtlingszahlen Hilfe zu leisten, brauche es ein „Unterstützungspaket“, betonte Schaap. Das bedeute humanitäre Hilfsleistungen, Unterstützung der Regierungen im Gesundheits- und Bildungssektor, sowie Maßnahmen zur Ankurbelung des wirtschaftlichen Wachstums dieser Länder.

Jordanien ist aufgrund seiner geografischen Lage unmittelbar von der Flüchtlingskrise betroffen. Nach aktuellen Angaben des Flüchtlingskochkommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) befinden sich derzeit rund 630.000 syrische und rund 50.000 irakische Flüchtlinge in dem Königreich mit geschätzten 6,5 Millionen Einwohnern. Die jordanische Regierung spricht von bis zu 1,4 Millionen Schutzsuchenden aus Syrien. Aufgrund der zahlreichen Konflikte in der Nahost-Region flohen schon während der vergangenen Jahrzehnte viele Palästinenser in das Königreich. Laut dem UNO-Hilfswerk für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) leben dort aktuell rund zwei Millionen palästinensische Flüchtlinge.