Mit aussterbenden Arten spekulieren
Das Naturfilmfestival INFF ging gestern Abend mit der Prämierung der Siegerfilme zu Ende. Die Natur ist keine Handelsware, so das Fazit.
Innsbruck –Was ist der Regen im Amazonas wert? Wieviel die Bestäubungsleistung der US-Bienen, die – wie der preisgekrönte Dokumentarfilm „More than Honey“ 2012 zeigte – nur durch üppige Antibiotikazugaben die Massentierhaltung überleben. Die Bienenstöcke werden in riesigen Trucks quer durch das ganze Land gekarrt, von Monokultur-Blüte zu Monokultur-Blüte. Immer mehr Völker gehen zugrunde.
Die Frage nach dem Wert ist in Zeiten des ungebrochenen Diktats des Marktes freilich keine rhetorische. Die „Dienstleistung“ der Natur ließe sich, so der Ökonom Pavan Sukhdev, ebenso wie deren „Kapital“ beziffern. Rund 240 Milliarden US-Dollar ist etwa der Regen im Amazonas wert, 200 Milliarden die Bestäubungsleistung der US-Bienen. Ein Zahlenbeispiel aus dem Film „Nature Banking“, der gestern beim Innsbruck Nature Film Festival (INFF) mit dem mit 3000 Euro dotierten großen Preis der Stadt Innsbruck in der Kategorie „Umwelt“ ausgezeichnet wurde. Die Doku zeige auf eindrucksvolle Weise, dass die Finanzwirtschaft keine Lösung für die ökologische Krise anzubieten hat, so die Jury. Pavan Sukhdev, Ex-Banker der Deutschen Bank, glaubt hingegen, dass die Natur nur dann geschützt werden kann, wenn sie einen Preis hat. Die Finanzwirtschaft ist weltweit gerade dabei, aus solchen Kalkulationen marktkonforme Produkte abzuleiten. Das in den USA boomende „Species Banking“, verspricht etwa Profite mit dem Schutz bedrohter Tierarten. Die Wirtschaft entscheidet, welche Spezies für überlebenswert erachtet wird, der Handel floriert. Laut den beiden ausgezeichneten Filmemachern Sandrine Feydel und Denis Delestrac haben Banken wie Merrill Lynch und JPMorgan bereits lukrative Geschäftsmodelle aus solchen Praktiken entwickelt.
Gemeinsam mit namhaften Vertretern aus Wirtschaft und Politik, etwa dem ehemaligen EU-Kommissar für Umwelt, Janez Potocnik, verspricht Sukhdev die Quadratur des Kreises: wirtschaftliches Wachstum und Umweltschutz. Die INFF-Jury empfand die in der Doku aufgezeigte Entwicklung, die Natur zu monetarisieren, als beängstigend.
Eine lobende Erwähnung erhielt der Film „Damnation“, „der in einem emotionalen Mix aus gut recherchierten Archivbildern und beeindruckenden Landschaftsaufnahmen“ mit auf eine Reise durch die Geschichte der US-Wasserwirtschaft nimmt. Der Film sei Beweis dafür, dass auch einzelne Personen etwas bewirken und zum Besseren verändern können, so Tirols Umweltanwalt Johannes Kostenzer, der Veranstalter des Filmfestivals.
In der Kategorie „Natur“ (ebenfalls mit 3000 Euro dotiert) konnte sich die Doku „Yellowstone“ durchsetzen. „Bildgewaltig, berührend, kurzweilig und informativ, Naturdoku at its best“, so die Begründung der internationalen Jury. Der Schweizer Kurzfilm „Lucens“, der mit Witz und Ironie die stilistischen Mittel der Atomkraft-Propanda entlarvt und deren Aussage ins Gegenteil verkehrt, wurde in der Kategorie „Animated Short Films“ zum Sieger gekürt. Auch der „Short Films“-Siegerbeitrag kommt aus der Schweiz: Regisseur Wendy Pillonel erzählt im fiktiven Film „Mirages“ vom Schicksal zweier Geschwister in einer bedrohlichen Wüstenwelt, „eine Fata Morgana von überzeugender Ästhetik“.
Die Tiroler Tageszeitung sponserte auch heuer die jeweils mit 1000 Euro dotierten Nachwuchskategorien „Youngsters bis 19“ und „Youngsters bis 25“. Bei den Jüngeren konnte sich im Online-Voting auf tt.com und bei der Jury der deutsche Adrian Bothe mit seinem Naturfilm „Wilde Nächte im Tegeler Fließ“ durchsetzen. Das vom Franzosen Sebastien Pins eingereichte, ästhetisch anspruchsvolle und berührende Porträt eines Bienenzüchters „A Passion of Gold and Fire“ überzeugte bei den jungen Talenten bis 25 Jahre. (TT)