EU-Flüchtlingskrise

5.400 Flüchtlinge in Österreich abgetaucht

407 Menschen sind heuer per Flugzeug oder Bus aus Österreich abgeschoben worden.
© EPA/Peter Steffen

42 Prozent der Flüchtlinge, deren Asylantrag in Österreich heuer abgelehnt wurde, hat die Polizei zwangsrückgeführt. Viele tauchen unter, um eine Abschiebung zu verhindern.

Von Brigitte Warenski

Innsbruck, Wien –Die EU hat vergangene Woche entschieden, ihre Abschiebepraxis zu verschärfen, um die Flüchtlingskrise in den Griff zu bekommen. Auch Österreich sieht bei der „freiwilligen“ Rückkehrquote laut Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) noch Luft nach oben. „Von Jänner bis Ende September wurden heuer 6025 rechtskräftige negative Asylbescheide ausgestellt“, so Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums. Davon verließen 42 Prozent (2530 Menschen) Österreich nicht freiwillig, wurden also in ihre Heimat zwangsabgeschoben oder laut Dublin-III-Verfahren in ein anderes EU-Land zwangsüberstellt.

Weil die Angst groß ist, kein Asyl zu bekommen, tauchen viele Flüchtlinge unter. Laut Grundböck „verschwindet“ rund ein Fünftel der Menschen in laufenden Asylverfahren. Von den 28.000 Flüchtlingen, die heuer bis Ende August einen Asylantrag gestellt haben, ist also der Verbleib von 5400 Menschen unklar. Ob sie sich noch in Österreich aufhalten, ist nicht bekannt.

Damit Österreich und die EU die Flüchtlingsströme künftig besser in die gewünschte Richtung lenken können, befürchtet Herbert Langthaler von der „asylkoordination österreich“, dass „noch mehr Staaten unter Druck gesetzt werden, ihre Bürger zurückzunehmen“. Bereits jetzt hat die EU Rücknahmeübereinkommen mit 13 Staaten, die sich verpflichtet haben, Staatsangehörige auch ohne Ausweis zurückzunehmen. Dazu kommen bilaterale Abkommen, die z.B. Österreich mit seinen Nachbarstaaten abgeschlossen hat, und formlose Absprachen. In der Praxis kann die Abschiebung mit einem Heimreisezertifikat schneller erfolgen, wie sich vielfach bei Flüchtlingen aus Nigeria oder Gambia zeigt. „Wir kennen diese Vorgänge. Die Flüchtlinge werden von Vertretern der Botschaft einfach in Augenschein genommen und dann trotz fehlender Papiere zurückgeschickt.“

Bedenklich findet Langthaler auch die Pläne, mit Unterstützung der EU-Grenz-schutzagentur Frontex bereits nach Ankunft der Flüchtlinge festzustellen, ob sie Chance auf Asyl haben. „Damit könnte die Rückführungsrichtlinie der EU unterlaufen werden, die rechtliche Mindestgarantien für die Rückführung festlegt. Den Menschen wird nämlich nicht mehr die Möglichkeit geboten, eine Rechtsberatung in Anspruch zu nehmen oder Rechtsmittel gegen einen Bescheid einzulegen.“

Die „asylkoordination österreich“ wünscht sich zudem, dass die Beamten, die im Auftrag des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl die Abschiebungen durchführen, „die Abholungen anders organisieren“. Es kommt immer wieder vor, dass die Flüchtlinge in der Nacht von der Polizei abgeholt werden. Nachtabholungen wird es aber auch in Zukunft geben: „Wir achten immer auf eine größtmögliche Schonung, aber müssen auch den Zeitpunkt wählen, an dem die Menschen am wahrscheinlichsten zu Hause sind“, sagt Grundböck. Nachtabholungen finden besonders dann statt, wenn von Wien Abschiebecharterflüge starten. Das Innenministerium hat heuer 19 solcher Charterflüge in Auftrag gegeben, zudem wurden vier Busse gemietet. „Insgesamt haben wir damit 407 Menschen transportiert“, erklärt Grundböck.

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