Wegwerfgesellschaft

„Ich habe nur drei Kilo Biomüll pro Woche“

Mitglieder von „Transition Tirol“ kochten in der Altstadt.
© Julia Hammerle

Der Verein „Transition Tirol“ will auf die Verschwendung von Essen aufmerksam machen. Gestern gab es auf der Straße Gemüsesuppe.

Von Sabine Strobl

Innsbruck –Weniger Verpackungsmaterial, weniger vergammelte Speisereste im Kühlschrank – oft bleibt es beim guten Vorsatz. Der Verein „Transition Tirol“ machte gestern in der Innsbrucker Altstadt auf die Verschwendung von Lebensmitteln aufmerksam und lieferte mit einer Suppentopf-Aktion gleich ein paar regionale Lösungsvorschläge mit.

Dafür holte ein zehnköpfiges Team direkt beim Produzenten Gemüse, das wegen optischer Mängel nicht verkauft werden kann, sowie bei Backstuben Brot vom Vortag. Dann wurde geschnipselt, gerührt, gekocht, ausgeschöpft und auf einer langen Tafel gegessen. Die Passanten dankten mit einer freiwilligen Spende.

Passanten mundeten...
© Julia Hammerle

„Wien wirft jeden Tag so viel Brot weg wie Graz an einem Tag verbraucht“, macht Obfrau Elisabeth Senn mit einem griffigen Beispiel auf gedankenlosen Umgang mit Essen aufmerksam. Auf den Kopf gerechnet, wirft jeder 70 Kilo Lebensmittel pro Jahr weg. Senn: „Wir möchten uns an alle drei Verantwortlichen wenden: den Handel, die Bauern und die Konsumenten.“ Sie ärgert sich über „absurde“ Praktiken im Lebensmittelhandel. „Oft geht eine ganze Kiste Gemüse an den Produzenten zurück, wenn ein Stück die optischen Kriterien nicht erfüllt.“ Wenn der Bauer keine Direktvermarktung habe, müsse er das Gemüse einackern, auf den Kompost werfen oder in einer Biogasanlage verwerten.

Der Verein „Transition Tirol“ besteht seit zwei Jahren, darin sind unter anderem Caritas, Attac, Slow Food Tirol, Weltladen, Haus der Begegnung sowie Privatpersonen beteiligt. Die „Transition“-Bewegung, die von Großbritannien ausgeht, bezeichnet den Übergang in eine „zukunftsfähige Gesellschaft“. Nach Aufklärungsveranstaltungen ist die Ausspeisung in der Innsbrucker Altstadt die erste Aktion dieser Art. Weitere sollen folgen.

...auch krumme Karotten.
© Julia Hammerle

Die Straßenkünstlerin Maria Palma sitzt auch an der Tafel. „Ich werfe wenige Lebensmittel weg. Wenn, dann gebe ich sie auf meinen eigenen Kompost.“ Ein Biologe am Tisch meint, dass er kaum etwas wegwerfe. Er wohne in der Stadt und müsse keine Vorräte anlegen. Außerdem fülle er nur die mitgebrachte Tasche mit Einkäufen. Nach Kürbis-, Gemüse- und Kohlsuppe greift Koch Oscar Germes-Gastro für ein Rotkrautpüree zum Mixer. Er betreibt in Innsbruck ein kleines Restaurant mit zehn Sitzplätzen. „Wie man hört, wirft die Großgastronomie die Hälfte des Essens wieder weg“, sagt er. Die Verschwendung gebe zu denken, deshalb nimmt er an solchen Aktionen teil. Wie groß sein Müllberg sei? „Ich produziere pro Woche drei bis fünf Kilo Biomüll. Am Samstagabend ist mein Kühlschrank im Restaurant leer.“

Der Koch hat ein Konzept entwickelt, das ihm selbst gezieltes Einkaufen ermöglicht. Die Gäste müssen reservieren. So steht der Sitzplan immer für drei Wochen im Voraus. Wenn jemand absagt, erhalten die Gäste am darauffolgenden Tag etwas größere Portionen oder es wird etwas eingefroren.

Bis zum Ende der dreistündigen Aktion wurden 200 Suppenteller gereicht. Sie waren aus Keramik und wurden danach abgespült.

Essen im Müll

Ein Drittel wird weggeworfen.Eine Million Tonnen Lebensmittel werden in Österreich weggeworfen, sagt eine Studie des österreichischen Ökologie-Instituts. 300.000 Tonnen davon werden von Haushalten weggeschmissen, 250.000 von der Gastronomie, 100.000 vom Lebensmittelhandel, der Rest bereits in der Landwirtschaft oder der Produktion. 30 Prozent der weltweiten Nahrungsmittel werden nicht gegessen.

Gesetz gegen Verschwendung.In Frankreich wurde heuer ein Gesetz beschlossen, wonach der Großhandel unverkaufte Nahrungsmittel künftig nicht mehr wegwerfen oder vernichten darf. Österreichs Landwirtschaftsministerium will dagegen auf Bewusstseinsbildung setzen.

Verteilungsproblem.Allein die weggeworfenen Lebensmittel in den USA und Europa könnten alle unterernährten Menschen dreimal ernähren, hat der Innsbrucker Wirtschaftshistoriker Josef Nussbaumer ausgerechnet. Agrotreibstoff, Landraub und der Fleischkonsum der westlichen Welt bringen den Süden in Bedrängnis.

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