„Die Zahl der Zylinder ist kein Kriterium“
Mit der Überarbeitung des 911 verschwinden großteils die vielfach gerühmten Saugmotoren Ihres Hauses und werden durch Turbos ersetzt — wie s...
Mit der Überarbeitung des 911 verschwinden großteils die vielfach gerühmten Saugmotoren Ihres Hauses und werden durch Turbos ersetzt — wie sehr trifft Sie das?
Helmut Eggert: Überhaupt nicht. Bis jetzt hatte schon unser Topmodell einen Turbo und jetzt bringen wir diese Technik in der gesamten Baureihe unter. Die Entwicklung ist geschuldet der Abgasregelung, vor allem dem CO2-Ausstoß. Die neuen Motoren sind effizienter, letztendlich auch für unsere Kunden attraktiver aufgrund der NoVA-Regelung, die wir haben.
Aber müssen sich Porsche-Käufer auf eine veränderte Charakteristik bei der Kraftentfaltung einstellen?
Eggert: Porsche hat bisher immer Top-Performance-Cars gebaut und hat vier Jahrzehnte Turbo-Erfahrung — und dies geht nahtlos in die neue 911-Baureihe über. Der Hubraum der Motoren wird etwas reduziert, aber durch die Turboaufladung der Nachteil wieder wettmacht. Wir haben ein höheres Drehmoment, eine bessere Leistungsentfaltung — bei gleichzeitig geringerem Verbrauch. Und einen guten Sound haben wir weiterhin, was bei Porsche-Fahrzeugen ganz wichtig ist.
Und was ist mit dem gefürchteten Turboloch?
Eggert: Es gibt kein Turboloch, denn der neue Motor hat zwei Turbolader.
Gibt es nach unten eine Grenze oder einen zusätzlichen Spielraum bei der 911-Baureihe in Anbetracht des Vorhabens, beim Cayman und beim Boxster im nächsten Jahr aufgeladene Vierzylinder-Aggregate einzubauen?
Eggert: Für den Porsche 911 ist das aktuell kein Thema. Aber vor 30 Jahren war die Wasserkühlung kein Thema, es war bis vor ein paar Jahren Turbo kein Thema für den normalen 911er — wer weiß also, was in zehn oder 15 Jahren sein wird.
Und Hybrid oder Diesel?
Eggert: Also Diesel kann ich für mich ausschließen, aber Hybrid könnte ich mir durchaus vorstellen für die nächste Generation. Dennoch: Es gibt diesbezüglich noch keinerlei Entscheidung.
Um beim alternativen Antrieb zu bleiben: Auf der IAA haben Sie die Studie Mission E vorgestellt, eine Limousine mit rein elektrischem Antrieb. Wie realistisch ist dieser Entwurf für eine Serie?
Eggert: Sehr realistisch, das könnte bis Ende der Dekade kommen.
Ist für Sie der Einstieg in die Elektromobilität wünschenswert?
Eggert: Selbstverständlich. Technologisch ist es interessant, performant auch, und es passt somit absolut zu unserer Marke.
Führt das letzten Endes zum baldigen Aus des Verbrennungsmotors?
Eggert: Ich denke, dass der Verbrennungsmotor sicher noch über einen längeren Zeitraum bestehen bleiben wird. Die Technologie des Mission E ist sicher toll und machbar, bedeutet aber viel Infrastrukturaufwand — und das geht nicht so schnell. Damit wird es noch lange Zeit Verbrennungsmotoren geben.
Sind Sie mit der Baureihen-Vielfalt von Porsche zufrieden oder fehlt etwas, was gut zur Marke passen würde?
Eggert: Es geistert immer noch ein Modell zwischen dem 911 Turbo und dem 918 Hybrid herum. Hier wäre noch Platz. Hier könnte ich mir gut ein interessantes Fahrzeug vorstellen.
Und wie sieht es mit einem Angebot unterhalb des Cayman/Boxster aus?
Eggert: Das ist im Augenblick kein Thema. Wobei das heißt: bis Ende der Dekade. Es gibt hier keine Produktionskapazitäten, außerdem würde so ein Modell unser Vertriebsnetz sprengen. Wir sind mit dem Macan genug ausgelastet.
Liefert der von Ihnen angesprochene Macan das, was Sie sich von ihm erwartet haben?
Eggert: Der Macan ist ein toller Erfolg. Er bringt uns zusätzliches Geschäft speziell von Mitbewerbern, und er substituiert weitestgehend nicht den Cayenne.
Derzeit gibt es den Macan mit drei Motoren — wünschen Kunden mehr Auswahl?
Eggert: Hier wird sich bald was tun. Grundsätzlich sind wir hier aber gut aufgestellt.
Trotz guter Aufstellung: Leidet Porsche unter der im Vorjahr verschärften NoVA-Regelung?
Eggert: Wir hadern mit der Deckelung der NoVA. Denn wir haben in unserem Wettbewerbsumfeld sicher die Modelle, die am wenigsten Sprit brauchen. Aber der Effekt kommt nicht zum Tragen, denn die Wettbewerber, die deutlich mehr Treibstoff brauchen, rücken uns preislich ziemlich nahe, da sich die NoVA bei ihnen nicht erhöhend auswirkt. Beim 911 wird es allerdings anders, dank der neuen Turbomotoren. Hier reduziert sich die NoVA durchschnittlich um vier bis sechs Prozent, ausstattungsbereinigt wird das neue Modell sogar billiger, da serienmäßig u. a. das PCM (Porsche Communication Management) eingebaut wird.
Bleibt der Cayenne stabil bei den Verkäufen?
Eggert: So ist es, wir verkaufen in Österreich zwischen 300 und 400 Stück.
Wie hoch sind die Diesel-Anteile bei den Modellreihen Cayenne, Macan und Panamera?
Eggert: Beim Panamera liegt der Anteil bei 60 Prozent, beim Cayenne bei 60 Prozent und beim Macan 70 Prozent. Beim Cayenne ist der Hybrid-Anteil relativ hoch, auch weil die NoVA hier ausfällt. Und das ganze Hybridthema wird durch die Aktivitäten der Wettbewerber wohl noch etwas mehr in Schwung kommen.
Könnten sich die Einstiegsmodelle Cayman und Boxster besser verkaufen?
Eggert: Grundsätzlich bin ich sehr zufrieden, weil sich das ganze Sportwagensegment in Österreich nicht gerade sehr ambitioniert entwickelt.
Und stellen die kommenden Vierzylinder eine Bedrohung für den Markenkern dar?
Eggert: Aber nein, der 356 hatte einen Vierzylinder, der 550 Spyder hatte einen. Unser 17. Le-Mans-Sieger hat einen Vierzylinder. Die Zahl der Zylinder ist kein Kriterium für Porsche.
Das Interview führte Markus Höscheler