Bayern will Flüchtlinge notfalls an der Grenze zurückweisen
München (Bayern)/Berlin (APA/Reuters/dpa/AFP) - Die Regierung des deutschen Bundeslandes Bayern will Flüchtlinge, die über sichere Herkunfts...
München (Bayern)/Berlin (APA/Reuters/dpa/AFP) - Die Regierung des deutschen Bundeslandes Bayern will Flüchtlinge, die über sichere Herkunftsstaaten einreisen, notfalls an der Grenze zurückschicken. Die anderen EU-Staaten müssten ihren europäischen Verpflichtungen nachkommen, bei ihnen ankommende Flüchtlinge aufzunehmen, unterstrich Innenminister Joachim Herrmann am Freitag in München. Bayern drohte Berlin zudem mit einer Verfassungsklage.
Herrmann fügte hinzu, wenn etwa die Dublin- und Schengen-Regeln nicht wieder befolgt würden, müsse die Bundesrepublik Deutschland „davon Gebrauch machen, Flüchtlinge unmittelbar an der Grenze zurückzuweisen“. Dies sei mit europäischem und deutschem Recht vereinbar, so der CSU-Politiker nach einer Sondersitzung des Kabinetts.
Ministerpräsident Horst Seehofer sagte an die Adresse der deutschen Regierung: „Wir sind ausdrücklich der Meinung, dass die Zuwanderung gesteuert und begrenzt werden muss.“ Anders werde Deutschland mit dem Flüchtlingsstrom „nicht zurande kommen“ und auch Integration werde nicht gelingen.
Das Kabinett verabschiedete laut Seehofer ein Programm, das den Zusammenhalt fördern und die Integration stärken solle. Dazu gehöre die Schaffung von 3.772 zusätzlichen Stellen bei Verwaltung, Polizei, Justiz und in Bildungseinrichtungen. Bayern fordert zudem Begrenzungen beim Familiennachzug anerkannter Flüchtlinge.
Das Bundesland drohte zudem mit einer Klage vor dem deutschen Verfassungsgericht, um eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen durchzusetzen, wie die Staatskanzlei in München nach der Sondersitzung des Kabinetts ankündigte. Sollte der Bund nicht bald wirksame Maßnahmen zur Begrenzung des Zuzugs von Asylbewerbern ergreifen, behalte sich Bayern den Klageweg vor, sagte Seehofer vor Journalisten.
Rechtsgrundlage einer solchen Klage sollten Organstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern sein, so Seehofer: „Der eine hält das Recht nicht ein und der andere will, dass es eingehalten wird.“ Trotz der Drohung versuchte Seehofer den Eindruck eines Zerwürfnisses mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zu zerstreuen. „Meine Wertschätzung gegenüber der Bundeskanzlerin hat sich nicht verändert.“ Der CSU-Chef erklärte erneut, Deutschland könne nicht weiterhin in dem Ausmaß wie zuletzt Flüchtlinge aufnehmen.
Bayerns Landesregierung forderte den Bund in dem Zusammenhang auch auf, als „Notmaßnahme“ Flüchtlinge unmittelbar an der Grenze zurückzuweisen. Sollte der Bund „auch hier nicht“ tätig werden, behalte sich der Freistaat anlassbezogen eigene Maßnahmen vor. Welche dies sein könnten, wollte Seehofer nicht sagen. Er wolle seinen „Werkzeugkasten“ aus strategischen Gründen nicht verraten.
Vor der Kabinettsberatung hatte Seehofer seine Kritik an der Flüchtlingspolitik Merkels erneuert. „In den Flüchtlingslagern in Nahost ist durch falsche Signale aus Deutschland eine Sogwirkung entstanden mit der Botschaft: Die Deutschen wollen ja, dass wir kommen“, sagte Seehofer der „Bild“-Zeitung (Freitag-Ausgabe).
Viele Gesten aus Berlin seien als Einladung verstanden worden. „Deshalb muss Angela Merkel jetzt auch ganz klar sagen: Wir bleiben human, wir helfen, aber unsere Möglichkeiten sind begrenzt“, hatte Seehofer gefordert. „Einfach sagen: Wir haben Völkerwanderung und kriegen das hin - das wird nicht gelingen.“ Seehofer kündigte „Maßnahmen der Notwehr zur Begrenzung der Zuwanderung“ an. Zu dem Maßnahmenpaket gehörten „Zurückweisungen an der Grenze zu Österreich und unmittelbare Weiterleitung neu eintreffender Asylbewerber innerhalb Deutschlands“.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte vor einer Rückschiebung von Flüchtlingen gewarnt. „Sollte Bayern tatsächlich vorhaben, Flüchtlinge, die in Deutschland bleiben wollen, nach Österreich zurückzubringen, könnte uns eine humanitäre Krise neuen Ausmaßes in Österreich drohen“, sagte sie am Donnerstagabend in Luxemburg. Es seien zudem „Ausschreitungen“ zu befürchten, wenn Flüchtlinge, die in Deutschland bleiben wollten, nach Österreich zurückgeschoben würden.
Die Meinung der Deutschen zur Bewältigung der Flüchtlingskrise hat sich unterdessen dem ZDF-“Politbarometer“ zufolge gewandelt. In der am Freitag veröffentlichten Umfrage äußerten nur noch 45 Prozent die Meinung, dass die Bundesrepublik die große Zahl an Flüchtlingen verkraften kann. 51 Prozent sehen das hingegen nicht so. Vor zwei Wochen waren die Deutschen noch zuversichtlicher: Damals war eine Mehrheit von 57 Prozent der Ansicht, dass die Flüchtlingszahlen zu bewältigen sind, nur 40 Prozent waren skeptisch.
Nach Angaben der Minister für Inneres und Justiz, Thomas de Maiziere (CDU) und Heiko Maas (SPD), gab es in diesem Jahr bereits 490 kriminelle Akte gegen Asylbewerberunterkünfte in Deutschland. „Das ist eine bittere Bilanz“, erklärte Maas. „Der Anstieg ist beschämend für unser Land.“
(Grafik 1167-15, Format 88 x 74 mm)