Volkswut in Oranje: Rechtspopulist Wilders schürt Asyl-Proteste
Den Haag (APA/dpa) - Wer kennt schon Oranje? Ein kleines Dorf mit 140 Einwohnern im Norden der Niederlande. Doch nun ist es Symbol der Flüch...
Den Haag (APA/dpa) - Wer kennt schon Oranje? Ein kleines Dorf mit 140 Einwohnern im Norden der Niederlande. Doch nun ist es Symbol der Flüchtlingskrise. Wütende Bürger wehren sich - für den Rechtspopulisten Wilders sind es Helden.
Wütende Bürger greifen den Staatssekretär an. Tritte gegen sein Auto. Schreie. Eine Straßenblockade wird errichtet. Aufruhr herrschte am Donnerstag im niederländischen Dorf Oranje. Grund: 700 Flüchtlinge sollten dort untergebracht werden. Die wütenden Szenen aus dem kleinen Dorf bei Groningen im Norden des Landes entsetzten das ganze Land. Oranje wurde schlagartig zum Symbol für die Flüchtlingskrise in den Niederlanden.
Von einem Notzustand kann man angesichts der Zahlen kaum sprechen. Insgesamt erwarten die Niederlande in diesem Jahr rund 35.000 Flüchtlinge. Seit September kommen nach Angaben der Behörden wöchentlich rund 3000 Menschen an. Das sind deutlich mehr als die insgesamt rund 24.000 vom vergangenen Jahr, doch im Vergleich etwa zu Deutschland wenig.
Doch die Folgen in dem am dichtesten besiedelten Land Europas sind groß. „Es sind zu viele“, sagten etwa die Bürger von Oranje. Fremdenfeindlichkeit kann man ihnen kaum vorwerfen. Im Gegenteil. Seit Monaten leben in dem Dorf in einem Bungalowpark bereits rund 700 Flüchtlinge. Probleme gibt es nicht, sagen auch die Bürger. Doch mehr könne das Dorf mit nur 140 Einwohnern nicht verkraften.
Doch der für Asyl zuständige Staatssekretär Klaas Dijkhoff entschied per Dekret, weitere 700 Flüchtlinge in Oranje unterzubringen. Für Oranje war damit das Maß voll.
Viele Kommunen fühlen sich von der Regierung im fernen Den Haag überfallen. Auf der anderen Seite hat diese kaum eine Wahl. Es war eine Notlage, rechtfertigte Staatssekretär Dijkhoff seinen Beschluss. „Das waren Familien mit Kindern. Die können nicht auf der Straße schlafen.“
Das Problem ist die allgemeine Wohnungsnot in den Niederlanden. Anerkannte Asylbewerber haben ein Recht auf eine Sozialwohnung. Doch weil es zu wenig davon gibt, sind die Asyl-Zentren überfüllt. Neue Flüchtlinge müssen in Sporthallen oder leeren Gefängnissen schlafen und werden dann zu Tausenden in neu errichtete Sammellager gebracht.
Doch die Proteste gegen die Massenunterkünfte nehmen zu. „Dann sind meine Kinder nicht mehr sicher“, klagte eine wütende Frau bei einer Demonstration in Purmerend bei Amsterdam. „Die vergewaltigen unsere Frauen“, unterstellte ein Mann.
Die Wut klingt dem Rechtspopulisten Geert Wilders wie Musik in den Ohren. Er ruft die Bürger zum Widerstand auf. Sobald irgendwo zwischen Groningen und Maastricht ein Asyl-Zentrum errichtet werden soll, ist er zur Stelle. Er spricht auf Bürgerabenden, verteilt Flugblätter und posiert mit Fans für Selfies.
„Genug ist genug“, ruft er immer wieder. Die Grenzen müssten dichtgemacht werden. Der Rechtsaußen mit der weißblonden Haartolle wettert gegen den „Asyl-Tsunami“ und warnt vor „herumlaufenden Testosteron-Bomben“, die Frauen und Kinder gefährdeten. Jetzt eröffnete er einen digitalen Briefkasten für die Volkswut. Dort können Bürger alle Klagen loswerden.
Die Kampagne hat Erfolg. In den Umfragen schießen die Werte für seine „Partei für die Freiheit“ in die Höhe. Sie ist demnach nun stärkste politische Kraft im Lande.
„Wilders hat längst die Regie in der Asyl-Frage übernommen“, analysierte der Rotterdamer Professor für Migrationsstudien, Han Entzinger. Die Koalition der Rechtsliberalen und Sozialdemokraten ist weitgehend unsichtbar. „Wo ist Rutte?“ fragen Oppositionsparteien, Medien und Kommunen. Sehnsuchtsvoll blicken viele nach Deutschland. Der rechtsliberale Ministerpräsident Rutte müsse ebenso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Krise zur „Chefsache“ machen.
Unter dem starken Druck der Öffentlichkeit rief Rutte nun einen Krisengipfel mit den Kommunen und Provinzen ein. Erstes Ergebnis: Wohnungen für 10.000 Flüchtlinge sollen in den nächsten Monaten bereitgestellt werden - wenn es sein muss in Altenheimen, leeren Bürogebäuden oder Containern. „Oranje darf sich nicht wiederholen“, sagte Staatssekretär Dijkhoff entschlossen.