Ungewöhnlicher Werbebotschafter Nepals am Everest gescheitert

Kathmandu (APA/dpa) - Nepal sucht händeringend nach guten Nachrichten. Das kleine, extrem arme Himalaya-Land muss einen Rückschlag nach dem ...

Kathmandu (APA/dpa) - Nepal sucht händeringend nach guten Nachrichten. Das kleine, extrem arme Himalaya-Land muss einen Rückschlag nach dem anderen einstecken: Ein Erdbeben tötete vor einem halben Jahr rund 9.000 Menschen und machte Millionen obdachlos.

Die überforderte Bürokratie schafft es bis heute nicht, die Spenden und Gelder aus aller Welt an die Menschen zu verteilen. Und eine Straßenblockade verhindert seit Wochen, dass Benzin über die Grenzen kommt, sodass das Land quasi stillsteht.

Zumindest Bergsteiger sollen nun wieder ins Land gelockt werden und die extrem wichtige Tourismusindustrie ankurbeln - doch deren aktuelles Aushängeschild, der Japaner Nobukazu Kuriki, scheiterte am Mount Everest. Starker Wind und tiefer Schnee zwangen ihn, bei rund 8.150 Meter umzukehren. Sein Körper sei nach so vielen Tagen am höchsten Berg der Welt völlig erledigt, er fühle sich übel und habe Schwindelgefühle, schrieb der 33-Jährige in seinem Blog. „Ich bewege mich wie ein alter Mann.“

Kuriki wird am Mittwoch nach Kathmandu zurückkehren. Die Werbeaktion, für ihn und für Nepal, ist gescheitert. Damit ist das Jahr vorbei gegangen, ohne dass ein Mensch auf dem 8.848 Meter hohen Berg triumphierte. Das gab es seit 41 Jahren nicht mehr. Nach dem Erdbeben der Stärke 7,8 hatten die Chinesen die Nordseite des Berges gesperrt, weil der Boden und die Gletscher als instabil galten. Auf der Südseite in Nepal riss eine gewaltige Lawine große Teile des Basislagers mit sich. Mindestens 18 Menschen starben.

In der Herbstsaison erhielt nur ein einziger Bergsteiger eine Genehmigung der Nepalesen - und die Wahl darf zumindest als ungewöhnlich bezeichnet werden. Kuriki hatte den Aufstieg auf den Everest zuvor schon viermal versucht, viermal war er gescheitert. Er wollte ohne Sauerstoff hinauf, auf den letzten Etappen allein und ohne Fixseil. Hinzu kommt, dass Kuriki neun Fingerspitzen fehlen. Diese waren ihm bei seinem Everest-Versuch 2012 abgefroren, als er eine unglaublich lange Woche lang in der Todeszone blieb.

Ist Kuriki ein besonders Mutiger oder ein Draufgänger? Ein Kamikaze sogar, wie es in Bergsteiger-Blogs heißt? Schon die Rahmenbedingungen sprachen gegen ihn: Im Herbst sind die Tage kürzer, kälter und windiger als im Frühling. Während es im April/Mai etwa zwei Drittel der Everest-Bergsteiger auf den Gipfel schaffen, ist es im September/Oktober nur ein Drittel.

Der Everest-Chronist und -Besteiger Alan Arnette schrieb, Kuriki habe sich nicht ausreichend an die Höhe gewöhnt. Die Geschichte des Berges zeige, dass jeder, der den 8.848 Meter hohen Berg angeht, eine Akklimatisierungstour auf mindestens 8.000 Meter macht. Kuriki ließ das aus. Sein Versuch sei „unüberlegt - im günstigsten Fall“, meint Arnette. Außerdem schlug Kuriki sein letztes Camp auf 7.600 Meter auf, das wären mehr als 1.200 Meter Höhendifferenz am Gipfeltag - Hunderte Höhenmeter mehr, als Bergsteiger sich sonst zutrauen.

Rund 140.000 Facebook-Fans konnten in den vergangenen Tagen das Drama am Berg verfolgen. Kuriki bloggte, teilte Fotos, Videos und seine aktuelle Position, direkt und live aus dem Schnee. Die Anziehungskraft des höchsten Berges der Welt scheint ungebrochen, trotz der Kommerzialisierung und der Unglücke, die dort immer wieder geschehen. Im nächsten Jahr, sagen viele Touren-Organisatoren, kommen wir zurück.