EM-Quali

Ein ÖFB-Team, das deutscher als die Deutschen ist

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Noch fehlen unserer grandiosen ÖFB-Auswahl der Ära Koller einige ganz große Siege bei der EM in Frankreich, um ein echtes Wunderteam zu sein.

Aus Podgorica: Hubert Winklbauer

Podgorica –Der Koller Marcel wechselt den Sabitzer Marcel ein – und das war es dann schon mit dem Sieg. Dem siebenten auswärts in Folge. Als der Leipzig-Legionär Sabitzer das ÖFB-Team so spät (92. Minute) 3:2 in Führung schoss, dass Montenegro nicht mehr darauf reagieren konnte, war klar: Dieses ÖFB-Team hat das Sieger-Gen. Solche Spiele wie in Montenegro gewinnt nur eine Mannschaft, die Ruhe bewahrt, die Nerven beweist, die von sich selbst überzeugt ist. Einfach gesagt: Nur wer große Klasse hat, dem sind solche Siege möglich, der kann Rückstände wegstecken, fragwürdige Schiri-Entscheidungen verkraften.

Der Faktor Glück? Wer fragt schon danach. Wer hat jahrelang bei den Deutschen gefragt, ob sie am Ende mit Glück gewonnen hatten? Montenegros Fußball-Präsident, der ehemalige Weltklassekicker Dejan Savicevic, sieht in den Österreichern eine Truppe, die deutsche­r als Deutschland ist. Wenn das – freilich auf den Fußball bezogen – kein Adelsprädikat ist. Als Sabitzer zum Sieg eingenetzt hat, waren Alaba, Junuzovic und Janko gar nicht mehr im Spiel. Die für sie ins Spiel gekommenen Jantscher, Okotie und Sabitzer können es also auch richten. Das tut denen gut. Und dem ÖFB-Team.

Da kommt auch was von der Bank. Und da steckt genug Substanz in dieser Mannschaft, um dem Größten unter ihnen helfend zur Seite zu stehen, wenn es dem nicht so wirklich läuft. Oder wenn der verletzt gar nicht dabei ist. Österreich hat seine zwei Siege über Russland ohne David Alaba feiern können. Österreich hat gegen Montenegro – wie schon gegen Moldawien – als Mannschaft kaschieren können, wenn der Bayern-Star auch mal mit sich selbst und einer Fehleranfälligkeit beschäftigt war. Sind die Almers, Dragovics, Junuzovics, Baumgartlingers, Harniks, Arnautovics, Jankos und Alabas schon die Hidens, Sestas, Smistiks, Nauschs, Vogls, Schalls, Sindelars? Andersrum gefragt: Hat die ÖFB-Truppe 2015 schon Wunderteam-Charakter, wie es viele glauben wollen? Nur wenn sie bei der EM in Frankreich noch einen draufsetzt. 1932 hat das österreichische Wunderteam den Europapokal, den Vorläufer der heutigen Europameisterschaft (ausgespielt in einem Meisterschaftsmodus), gewonnen. Es ist bis heute der einzige Titel geblieben, den eine österreichische Nationalmannschaft gewonnen hat. Allerdings hat die damalige Truppe den Großnationen des Fußballs Lehrstunden gegeben: 6:0 gegen Deutschland, 8:1 gegen Ungarn und die Schweiz, 4:0 gegen Frankreich, 6:1 über Belgien, 5:1 gegen Schottland: 12 Siege in 15 Spielen bei nur einer Niederlage mit einem Torverhältnis von 62:18. Mit einem 1:2 gegen die Tschechoslowakei war es dann vorbei mit der rotweißroten Fußball-Herrlichkeit.

Wunderteam ist die Marcel-Koller-Truppe mit Sicherheit noch keine. Aber sie sorgt mit ihrer Effizienz, ihrer Konstanz im Hochleistungsbereich für Verwunderung. Die phasenweisen Leerstellen im Spiel der ersten Hälfte gegegen Montenegro nimmt sie als Lernprozess an, den achten Pflichtspiel-Sieg in Folge (ein Rekord in der rotweißroten Fußball-Hierarchie) als Auftrag. Diese Truppe kann sich auch selbstverschuldete Widerstände bändigen, wenn es um alles oder nichts geht. So weit wird es am Montag gegen Liechtenstein in Wien nicht kommen. Ein – da sind sich die Team-Akteure sicher – unvergleichliches Ambiente wird sie an die Grenzen ihres Könnens führen. Dann wird es Tore geben – immer wieder und immer wieder für Österreich. Ein kollektiver Freudentaumel wird der Dank des Publikums an eine Mannschaft und ihren Trainer sein, denen sogar bei der EM Außergewöhnliches zugetraut wird. Denn unbesiegt (mit nur einem einzigen Remis) eine Qualifikation überstehen, das muss gefeiert werden. Und womöglich auch Platz zehn in der FIFA-Weltrangliste. Und jeder einzelne Spieler. Und der Trainer sowieso.

Ab jetzt ist alles, was die ÖFB-Teamspieler tun oder nicht tun, die Einübung für die großen Aufgaben, die bei der EM in Frankreich auf uns warten. Dieses eingespielte Nationalteam scheint reif wie keines mehr seit den glorreichen 30er-Jahren.

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