Die großen Fragen auf dem letzten Wanderweg
In Ken Kwapis’ Parabelfilm „Picknick mit Bären“ bewältigen Robert Redford und Nick Nolte den legendären Appalachian Trail.
Von Peter Angerer
Innsbruck –Seit vier Jahrzehnten haben sich Bill Bryson (Robert Redford) und Stephen Katz (Nick Nolte) nicht mehr gesehen, obwohl sie auf gemeinsame Abenteuer in Europa zurückblicken können. Vielleicht war das alles auch nur ein Missverständnis mit den Blondinen und Rothaarigen, mit den 600 Dollar, die Katz dem Freund seit damals schuldet und die dazu geführt haben, dass sich Katz nie mehr gemeldet hat.
Bryson ist jedenfalls mit der britischen Krankenschwester Cathy (Emma Thompson) nach New Hampshire zurückgekehrt und ein berühmter Reiseschriftsteller geworden. Nie mehr hat er eine andere Frau berührt und seit zehn Jahren hat er auch kein Buch mehr geschrieben. Dennoch muss er sich vom Moderator im Frühstücksfernsehen anlässlich der Veröffentlichung einer Gesamtausgabe seiner Bücher fragen lassen, was denn ein Schriftsteller im Alter so anstelle: „Erschießt er sich, oder trinkt er sich zu Tode?“ Bryson, nicht auf den Mund gefallen, entscheidet sich „nach diesem Interview für beides“. Das bringt immerhin einen Lacher, aber es muss eine Alternative geben.
Katz schleppt sich seit Jahren jeden Abend in seine Einzimmerwohnung, um dort einen einsamen Kampf gegen König Alkohol zu führen. Ein einziges Glas würde ausreichen, um ihn unter irgendeiner Brücke zu finden. Nüchtern betrachtet liegen diese beiden Lebensläufe nicht so weit auseinander. Nur Bryson weiß das noch nicht, denn von seiner Villa aus gesehen ist Katz der Loser, der, vielleicht von Dämonen gejagt, sein Leben vergeudet hat und aus der selbstgerechten Sichtweise des Überlegenen jede Verachtung zu verdienen scheint. Solche Vorurteile verlangen nach einem schmerzhaften Reinigungsprozess und existentiellen Erfahrungen, die im glücklichen Fall zur Erkenntnis führen, dass sich das Ganze doch nicht so toll darstellt, wie man gerne möchte. In Europa liegt zu diesem Zwecke die Herausforderung zu Strapazen und spiritueller Erfahrung quasi um jede Ecke, wie auf Hinweisschildern zum Jakobsweg zu lesen ist. Amerikanische Wanderer nehmen – wertfrei – den Appalachian Trail.
Über diesen 3500 Kilometer langen Wanderweg veröffentlichte Bill Bryson, Jahrgang 1951, bereits 1998 seinen Bericht von der „Wiederentdeckung Amerikas“, der dann auch sofort Robert Redfords Interesse als Produzent erweckte. Was Bryson jedoch als 45-Jähriger erlebt hat, wollte sich der Hollywoodstar erst mit 78 Jahren antun, um auch den letzten großen Fragen noch mit Gewinn zu begegnen.
Als Regisseur empfahl sich Ken Kwapis nach seinem Film „Der Ruf der Wale“ (2012), doch seine Inszenierung wird in beinahe jedem Bild von Respekt gegenüber der Natur und Schüchternheit gegenüber seinen Stars blockiert.
Wegen der alarmierenden Nachrichten im Internet über Serienmorde und Grizzlyattacken auf dem Wanderweg erlaubt Ehefrau Cathy keinen Alleingang. Da sich keiner von Brysons Freunden diesem Selbstmordkommando anschließen möchte, kommt Katz ins Spiel. Robert Redford gönnt seinem Kumpel Nick Nolte, der zuletzt in Redfords „The Company You Keep“ zu sehen war, einen magischen Starauftritt aus der Geisterwelt. Mit kratzender Stimme und ohne wegen der Nichtberücksichtung bei dieser Tour beleidigt zu sein, stellt er sich telefonisch als letzter Freund zur Verfügung. Katz wird als hinkendes Ersatzteillager zum Retter des Unternehmens, sein Darsteller Nolte, 74, wird zum Retter des sonst eher betulichen Films, den übrigens in den US-Kinos nur Erwachsene sehen dürfen.