Wien-Wahl: SPÖ verhinderte trotz FPÖ-Rekordresultat das große Debakel

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Wien (APA) - Trotz FPÖ-Rekord mit klar über der 30-Prozent-Marke hat die SPÖ das prophezeite Desaster bei der Wiener Gemeinderatswahl noch einmal verhindern können. Statt eines Kopf-an-Kopf-Rennens rettete die Bürgermeister-Partei einen klaren Vorsprung auf die Blauen ins Ziel. Als realistische Koalitionsvarianten bleiben nun eine Neuauflage von Rot-Grün oder Rot-Schwarz, wobei die ÖVP katastrophal abstürzte.

Die SPÖ mit Bürgermeister Michael Häupl als Spitzenkandidat musste (nach vorläufigem Endergebnis ohne Briefwahlstimmen) einen herben Verlust von 4,9 Prozentpunkten auf 39,4 Prozent einstecken. Damit liegt die SPÖ nun nur knapp über ihrem historischen Tiefwert von 39,2 Prozent im Jahr 1996. Trotzdem wurde bei der roten Wahlfeier gejubelt, als hätte man Gewinne gemacht - denn: Die Roten haben mit einem Abstand von 7,2 Prozentpunkten zur FPÖ, die mit 32,2 Prozent ihr bisher bestes Resultat überhaupt einfuhr, durchaus überraschend klar Platz eins für sich behaupten können. Häupl versicherte, angesichts des prophezeiten bzw. inszenierten Duells damit „gut leben“ zu können, deutete aber angesichts des Minus zugleich Modernisierungswillen an: „Ich werte dieses Wahlergebnis nicht als Auftrag, so weiterzumachen wie bisher“, sagte der Bürgermeister. So will man etwa künftig den Fokus mehr auf die verlustreichen Flächenbezirke legen.

Jubeln durfte die FPÖ. Sie legte um 6,5 Punkte auf 32,2 Prozent zu. Das Ziel, der SPÖ den Stadtchef-Posten streitig zu machen, wurde allerdings eindeutig verfehlt. Parteichef und Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache wollte sich den Erfolg trotzdem „nicht kleinreden“ lassen. Mit 35 Mandaten haben die Freiheitlichen nicht nur erstmals ein Anrecht auf einen Vizebürgermeister. Dieses Amt wird Klubchef Johann Gudenus bekleiden, er wird allerdings mangels Regierungsbeteiligung ohne Ressortverantwortung bleiben. Denn Häupl schloss am Wahlabend erneut eine Koalition mit den Freiheitlichen unzweifelhaft aus.

Allerdings haben die Freiheitlichen - sollten die Briefwahlstimmen die Blauen nicht noch unter 34 Mandate drücken - durchaus ein nicht unwichtiges Druckmittel in der Hand. Denn dank Sperrminorität im Landtag können sie künftig z. B. Stadtverfassungsänderungen blockieren. In den „Arbeiterbezirken“ Simmering und Floridsdorf wurden die Blauen auf Landesebene zudem stärkste Kraft.

Verluste musste der bisherige Koalitionspartner der SPÖ hinnehmen. Die Grünen verloren 1,5 Prozentpunkte und landeten bei 11,2 Prozent. Damit fallen sie von elf auf neun Mandate. Zusammen mit den 44 SPÖ-Mandaten wäre damit eine Weiterführung der rot-grünen Koalition möglich - was Spitzenkandidatin Maria Vassilakou auch gern hätte: „Wir stehen auf alle Fälle bereit, die gute Zusammenarbeit auch in den kommenden fünf Jahren fortzusetzen.“ Die grüne Frontfrau hatte vor der Wahl mehrfach angekündigt, bei einem Minus vor dem Ergebnis zurückzutreten. Einen solchen Schritt ließ sie am Wahlabend vorerst allerdings offen. Die Verluste argumentierten die Grünen mit „Leihstimmen“ ihrer Sympathisanten für die SPÖ - also auf taktisches Wählen infolge der Duell-Inszenierung.

Wahrlich katastrophal endete die Wahl für die ÖVP. Sie fiel auf ihr historisch schlechtestes Ergebnis überhaupt und landete bei nur 8,7 Prozent - ein Minus von 5,3 Prozentpunkten. Landesparteichef Manfred Juraczka reagierte umgehend und kündigte seinen Rückzug an. Sein Angebot lautet, bis zum Landesparteitag im Februar 2016 im Amt zu bleiben: „Ich biete es an, damit es hier eine geordnete Übergabe gibt. Wenn man aber meint, ich soll das Amt gleich zur Verfügung stellen, ist es mir auch recht“, sagte er. Die Rathaus-Schwarzen stürzten von bisher 13 auf sieben Mandate ab. Apropos: Hatten die ÖVP 2010 noch acht Grundmandate via Wahlkreise, ging man diesmal komplett leer aus. Damit werden einige Kandidaten, die nicht über die Landesliste abgesichert waren - etwa Landtmann-Chef Berndt Querfeld - wohl keinen Sessel im Stadtparlament ergattern.

Die SPÖ will in Sachen Koalition trotzdem mit der ÖVP reden, wie Häupl ankündigte. Mit insgesamt 51 von 100 Mandaten ginge sich aus heutiger Sicht allerdings nur eine hauchdünne Mehrheit aus. Eine Kooperation mit den erstarkten Freiheitlichen schloss der Bürgermeister und SPÖ-Landeschef indes erneut dezidiert aus.

Freuen durften sich die NEOS, die erstmals um den Einzug in das Wiener Stadtparlament kämpften. Die Pinken schafften mit 6,0 Prozent bzw. fünf Mandaten schließlich den Sprung und retteten - nach Misserfolgen in vorangegangenen Regionalwahlen - damit zumindest ihre mittelfristige Zukunft. Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger freute sich über den „sehr guten Erfolg“. Die drei ebenfalls wienweit angetretenen Kleinparteien „Wien Anders“ - ein Bündnis u.a. aus KPÖ und Piraten -, das lange Zeit als türkische Liste bezeichnete Bündnis „Gemeinsam für Wien“ und die vom BZÖ unterstützte Fraktion „Wir wollen Wahlfreiheit“ schafften die nötige Fünf-Prozent-Hürde nicht.

Freilich steht hinter all den Resultaten noch ein kleines Fragezeichen. Denn das Ergebnis der Wahlkarten, gerechnet wird mit immerhin rund 160.000 Stimmen, wird erst in der Nacht auf Dienstag vorliegen.

Fest steht jedenfalls, dass die zeitgleichen Bezirksvertretungswahlen auch die Vorstehungen etwas durcheinandergewirbelt hat. So katapultierte sich die FPÖ im „Arbeiterbezirk“ Simmering erstmals auf Platz eins und stellt damit mit Paul Stadler den ersten blauen Bezirkschef. Erfolglos blieb indes die Neo-FPÖ-Kandidatin Ursula Stenzel. Sie konnte nach ihrem Zerwürfnis mit der ÖVP den City-Chefposten nicht verteidigen. Stattdessen matchen sich SPÖ und ÖVP um Platz eins, wobei die SPÖ hauchdünn vorne liegt. Hier werden erst die Briefwahlstimmen Klarheit bringen.

Auch sonst gibt es noch einige Wackelkandidaten. In der roten Hochburg Floridsdorf hat etwa die FPÖ um rund 1,4 Prozentpunkte die Nase vor, im bisher ebenfalls SPÖ-geführten Favoriten wiederum liegt die SPÖ gerade einmal 0,26 Prozentpunkte vor der FPÖ. Und auch im bisher ÖVP-dominierten Währing blieb es bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ÖVP und Grünen - wobei nach vorläufigem Endergebnis die Grünen um 1,63 Prozentpunkte die Nase vorn und damit ihren ersten Bezirksvorsteher im 18. Bezirk in Griffweite haben.