Zwangsarbeit trifft freien Markt in Nordkorea
Pjöngjang (APA/dpa) - Auf einer Farm im Norden von Pjöngjang demonstriert Nordkoreas Regime, wie es das Land mit Reformen vom Hunger befreie...
Pjöngjang (APA/dpa) - Auf einer Farm im Norden von Pjöngjang demonstriert Nordkoreas Regime, wie es das Land mit Reformen vom Hunger befreien will. Menschenrechter bleiben skeptisch.
Wenn Nordkorea mit einer gewaltigen Militärparade wie am 10. Oktober den Geburtstag der herrschenden Arbeiterpartei feiert, ist das für ausländische Journalisten eine der seltenen Gelegenheiten, in das abgeschottete Land zu reisen. An freie Recherche ist trotz offizieller Einladung aber kaum zu denken. Reporter bekommen während des Aufenthalts einen „koreanischen Partner“ zur Seite gestellt.
Stets gemeinsam mit den Aufpassern werden dann die Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt Pjöngjang abgeklappert: Das Monument zur Gründung der Partei, ein Park am Stadtrand und das Delfinarium gehören seit Jahren zur Tour, so erzählen es Journalisten, die schön früher dabei waren.
Neu im Rahmenprogramm des Parteigeburtstags war in diesem Jahr jedoch eine Farm, 30 Busminuten nördlich der Hauptstadt gelegen. In dem „landwirtschaftlichen Musterbetrieb“ sollen die ausländischen Gäste erfahren, wie sich Nordkorea die Zukunft seiner Landwirtschaft vorstellt. Rund 600 Bauernfamilien leben hier in frisch renovierten Wohnhäusern. Einige sogar in kleinen Einfamilienhäusern mit glänzenden blauen Kacheln und Solarzellen auf dem Dach.
Es gibt einen Supermarkt, für den Nachwuchs Kindergarten und Schule. Sogar ein Friseursalon habe vor kurzem geöffnet, erzählt Yo Yong Ponn, der sich als Chefingenieur der Anlage vorstellt. Jeder Bauernfamilie ist auf dem Gelände ein Gewächshaus zugeordnet, in dem sie eigenverantwortlich wirtschaftet.
Die Farm ist ein Ergebnis der großen landwirtschaftlichen Reform, die Nordkoreas junger Führer Kim Jong-un kurz nach seiner Machtübernahme vor drei Jahren angestoßen hat. Kernstück der Reform ist es, den Bauern des Landes einen Teil ihrer Ernte selbst zu überlassen. Alles, was sie über den staatlichen Jahresplan hinaus produzieren, dürften sie nun selbst auf dem freien Markt verkaufen, berichtet Yo Yong Ponn. „Wer geschickt anbaut, hat so am Ende mehr für den eigenen Verkauf.“ Die besten Farmer könnten so rund 30 Prozent ihrer Ernte privat verkaufen.
Ausländische Hilfsorganisationen loben die Reformen. Bis zu einem Viertel sind die Erträge nach Meinung einiger westlicher Experten im vergangenen Jahr gestiegen. Rund 20.000 neue Gewächshäuser seien im ganzen Land entstanden, erzählt ein Mitarbeiter der deutschen Welthungerhilfe in Pjöngjang. Die Ernährungssituation in Nordkorea habe sich gebessert. Von einer „Hungerkatastrophe“ könne nicht mehr die Rede sein. Allerdings: Eine Dürre, die das Land im Sommer heimsuchte, werde zumindest in diesem Jahr wieder zu Einbußen führen. Die Welthungerhilfe rechnet mit einer 10 bis 20 Prozent geringeren Ernte als im Vorjahr.
Menschenrechter bezweifeln jedoch, dass die landwirtschaftlichen Fortschritte nur auf finanzielle Anreize für die Bauern zurückzuführen sind. So berichtet Human Rights Watch, dass unter Kim Jong-un das Volk genau so unter systematischer Zwangsarbeit leide, wie das schon unter seinem Vater und Großvater der Fall war.
„Das ist eine verborgene Menschenrechtskrise, über die schon zu lange hinweggesehen wird“, sagt Phil Robertson von der Menschenrechtsorganisation. Erzwungene Arbeit „dominiert“ demnach das Leben gewöhnlicher Bürger. Studenten müssen laut Robertson zwei Monate pro Jahr ohne Bezahlung in landwirtschaftlichen Betrieben arbeiten, sowohl in der Saat- als auch in der Erntezeit.
Auf der Musterfarm will man von solchen Missständen nichts wissen. Außer den Aufpassern und Chefingenieur Yo Yong Ponn ist beim Besuch der Journalisten allerdings auch kaum jemand da, den man fragen könnte. Einer der Aufpasser meint zu wissen, warum das so ist: „Es ist Feiertag, die Leute sind picknicken.“