Ukraine baut bei Trendwende auf deutsche Partner

Kiew/Berlin/Moskau (APA/Reuters) - An der Entwicklung in der Ukraine scheiden sich die Geister. Die Nachrichten aus und über das osteuropäis...

Kiew/Berlin/Moskau (APA/Reuters) - An der Entwicklung in der Ukraine scheiden sich die Geister. Die Nachrichten aus und über das osteuropäische Krisenland sind widersprüchlich. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, zusammen mit dem französischen Staatspräsidenten Francois Hollande, Co-Architektin des Minsker Abkommens zur Befriedung des Konflikts mit Russland, sät vorsichtige Zuversicht.

Gerade sprach sie im Deutschen Bundestag von einem „Hoffnungsschimmer“ in Hinblick auf eine politische Lösung, „nicht mehr, aber auch nicht weniger“. Ein Milliarden-Hilfsprogramm des IWF für das darniederliegende Land läuft, doch seine Wirtschaft steckt noch tief in der Rezession. Mit der vom IWF geforderten umfassenden Umschuldung gibt es noch Probleme, speziell mit dem Gläubiger Russland. Regierungschef Arsenij Jazenjuk droht hier schon einen „juristischen Krieg“ an.

Bei einer großen Ukraine-Konferenz am Freitag wollen die deutsche Wirtschaft, der drittwichtigste Handelspartner der Ukraine, sowie die Regierungen in Kiew und in Berlin nun ein Signal setzen. Für erhöhte Aufmerksamkeit sorgt dabei allein schon, dass neben Merkel auch deren ukrainischer Kollege Jazenjunk in Berlin sprechen sollen. Es geht vor allem darum, angesichts all der ungelösten Probleme in Erinnerung zu rufen, was in dem Land in jüngster Zeit in Gang gekommen ist, um es politisch und wirtschaftlich wieder auf Vordermann zu bringen. Mit seinen über 45 Millionen Menschen verfügt die Ukraine theoretisch über einen der größten Märkte in Europa. Die wirtschaftlichen Potenziale sind, darin sind sich die Experten einig, groß - aber das Land braucht finanziell potente Partner.

Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft, die Stimme der in Osteuropa tätigen deutschen Unternehmen, befindet sich dabei in einer kniffligen Lage. Zum einen wirbt er für mehr Geschäfte mit der Ukraine. Zum anderen liegt ihm aber naturgemäß auch das weitaus größere deutsch-russische Geschäft und damit ein Ende der Wirtschaftssanktionen Europas gegen Russland am Herzen. Die Strafmaßnahmen haben ihre Ursache in der russischen Annexion der zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim. Hinzu kommen die Kämpfe ukrainischer Truppen mit russlandfreundlichen Separatisten im Osten des Landes.

Kanzlerin Merkel sieht derzeit keinen Anlass, über eine Aufhebung der Russland-Sanktionen zu sprechen. Und auch die Regierung Jazenjuk hat kein Interesse daran, dass der Westen die Daumenschrauben gegenüber Russlands Präsident Wladimir Putin lockert. Erst wenn das Abkommen von Minsk vollständig umgesetzt sei, stehe das an, sagt Merkel. „Der unabdingbare Schlussstein von Minsk ist der Abzug aller sich illegal in der Ukraine aufhaltenden Truppen und Söldner sowie die vollständige Kontrolle der Ukraine über ihre Grenze.“ Davon allerdings ist man nach Meinung aller Experten noch weit entfernt. Für die Ukraine bleiben damit vorerst die Unsicherheiten groß.

Wirtschaftlich ist die Lage in der Ukraine trotz der Milliardenkredite vom IWF, trotz Finanzhilfen der Europäischen Union düster. Im vergangenen Jahr war die Wirtschaft des Landes um satte 6,8 Prozent geschrumpft, im laufenden Jahr erwarten Währungsfonds und Regierung ein weitaus höheres Minus. Allein im ersten Halbjahr ging es mit fast 16 Prozent weiter bergab. Immerhin sehen die Experten aber Chancen, dass es im nächsten Jahr wieder leicht aufwärts geht. Doch der Weg bleibt weit für das Land, das durch Korruption, Misswirtschaft und den militärischen Konflikt mit von Russland unterstützten Separatisten ökonomisch abgestürzt ist.

So sind auch Deutschlands Exporte in die Ukraine in der ersten Jahreshälfte 2015 erneut um mehr als ein Viertel eingebrochen. Dabei waren die Ausfuhren schon im vergangenen Jahr um ein Drittel rasant nach unten gerauscht. Doch immerhin stiegen zuletzt die Importe aus der Ukraine kräftig, vor allem Textilien und Nahrungsmittel - das hilft dem osteuropäischen Land ein wenig.

Wünschen würden sich die Ukrainer, dass sich die deutsche Wirtschaft mehr an der Modernisierung der maroden Industrie des Landes beteiligt. Das Spektrum hierfür ist breit: vom Energiebereich über die Schwerindustrie und den Maschinenbau bis hin zur Chemie und der Nahrungsmittelindustrie. Merkel sandte schon einmal eine Botschaft nach Kiew: Die deutsche Industrie sei bereit zu investieren, wenn der rechtliche Rahmen stimme. Sie mahnte aber: „Hier ist in der Ukraine noch Vieles zu tun.“

Gebrochen werden kann der negative Trend nur, wenn die Partner im Ausland, und hier liegt die große Hoffnung von Jazenjuk und seiner Regierung besonders auf Deutschland, wieder stärker auf die Ukraine setzen. Schon im Jänner 2015 hatte der Ost-Ausschuss mit einem Gespräch bei einem Spitzentreffen mit dem Regierungschef aus Kiew und Finanzministerin Natalia Yaresko versucht, dafür eine Basis zu schaffen. Mit der Veranstaltung am Freitag soll daran angeknüpft werden.