Zauber der Tiefe: Kulturgeschichte der Höhlenforschung
Wien (APA) - Höhlenforscher arbeiten im Verborgenen. Nur selten dringt etwas über ihre Arbeit an die Oberfläche - meist bei Unglücken, spekt...
Wien (APA) - Höhlenforscher arbeiten im Verborgenen. Nur selten dringt etwas über ihre Arbeit an die Oberfläche - meist bei Unglücken, spektakulären Rettungsaktionen oder neuen Rekorden. Dabei lockt die Tiefe seit Jahrhunderten Forscher, Gelehrte, Künstler und Abenteurer an. Eine Kulturgeschichte der Höhlenforschung in Österreich bis in die Zwischenkriegszeit hat nun der Historiker Johannes Mattes vorgelegt.
Der Wissenschaftshistoriker, Lektor am Institut für Geschichte der Universität Wien und Speläologe (Höhlenforscher) spannt in dem auf seiner Dissertation an der Uni Wien basierenden Buch den Bogen von der Antike her auf. Ließ doch schon Homer Odysseus und seine Gefährten in die Höhle des Polyphem - die personifizierte Gefahr des Unterirdischen - eindringen und sie prompt für diesen Frevel bestrafen.
Die erste ausführliche Höhlenbeschreibung im österreichischen Raum stammt laut Mattes von Christoph von Schallenberg (1561-1597), der 1592 im Auftrag von Kaiser Rudolf II. das Geldloch am Ötscher befuhr, um dort nach einem Schatz zu suchen. „Der Text steht bereits im Einfluss des 17. Jahrhunderts, als man sich in Höhlen stets auf der Suche nach dem Seltsamen, Außergewöhnlichen und Erstaunlichen befand“, schreibt Mattes. Dominierten zur Zeit des Mittelalters noch Gefühle der Angst und unbestimmten Bedrohung die Höhlenbeschreibungen, wurden diese damals zunehmend aufgrund des Bedürfnisses oder des Auftrags, sich in Form eines Berichts oder Reisebeschreibung mitzuteilen, durch Neugier ersetzt.
Mattes schildet die zunehmende Faszination der Höhlen: Nicht mehr nur Einheimische, Reisende und Abenteuerlustige suchten die Welt unter Tage auf, sondern auch immer mehr Archäologen, Naturforscher und Künstler. Im 19. Jahrhundert gingen die Erschließung der Gebirgslandschaft mit dem Bau alpiner Stützpunkte Hand in Hand mit der Errichtung von Schauhöhlen, mit denen man auf das gestiegene touristische Interesse reagierte. Und allerorten entstanden höhlenkundliche Vereine - allein zwischen 1879 und 1914 wurden mehr als 30 in der Donaumonarchie gegründet.
Im Ersten Weltkrieg schließlich wurden selbst Höhlen zu Kampfschauplätzen und auch ihre wirtschaftliche Ausbeutung wurde versucht. So zog das Ackerbauministerium angesichts des Mangels an Kunstdünger den Abbau von phosphorhaltigem Dünger in Höhlen in Erwägung, im April 1918 wurde ein Gesetz verabschiedet, das das Recht auf Abbau von Höhlenphosphaten dem Staat vorbehielt. Bis 1924 wurden mehr als 23.000 Tonnen Höhlendüngererde an die Landwirtschaft geliefert.
(S E R V I C E: Johannes Mattes: „Reisen ins Unterirdische. Eine Kulturgeschichte der Höhlenforschung in Österreich bis in die Zwischenkriegszeit“, Böhlau Verlag, 410 Seiten, 45 Euro, ISBN: 978-3-205-79687-9)