Thinktank kritisiert „Durchwursteln“ der EU in Flüchtlingskrise
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~ --------------------------------------------------------------------- KORREKTUR-HINWEIS In APA412 vom 19.10.2015 muss es im zweiten Satz richtig heißen: „Durchwursteln“ (nicht: „Durchwurzeln“) --------------------------------------------------------------------- ~ Brüssel (APA) - Hart ins Gericht gehen Experten mit dem bisherigen Umgang der Europäischen Union mit der Flüchtlingskrise. Bisher habe es nur ein „reaktives Durchwursteln“ gegeben und auch in Zukunft seien keine echten Antworten zu erwarten, sagte Janis Emmanouilidis von der Denkfabrik European Policy Center (EPC) am Montag in Brüssel.
Beim EU-Gipfel in Brüssel am vergangenen Donnerstag besprachen die Staats- und Regierungschefs erneut kontroverse Themen wie einen EU-Schlüssel zur Verteilung von Flüchtlingen, konkrete Ergebnisse gab es jedoch kaum. Auch das von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel als „obsolet“ bezeichnete Dublin-System stand nicht auf der Tagesordnung. Es seien wieder nur kurzfristige Lösungen besprochen worden, kritisierte Emmanouilidis. Zudem lassen von den EU-Mitgliedsländern im September versprochene Gelder für die afrikanischen Staaten weiter auf sich warten.
Die Stimmung am Gipfel sei überdies „ziemlich mürrisch“ gewesen, hieß es von den Experten. „Am meisten beunruhigt die kippende Stimmung in Deutschland bezüglich der Flüchtlinge und die steigende Anti-EU-Haltung“, sagte EPC-Chef Fabian Zuleeg, der auch zweifelte, ob der nächste Gipfel im Dezember Lösungen bringen wird.
Kritik gab es zudem an der Formulierung in den Schlussfolgerungen des Gipfels. Darin wurde im Zusammenhang mit den Flüchtlingen das englische Wort „stem“ verwendet, zu Deutsch „eindämmen“. Hier sei die Rede davon, etwas Unerwünschtes zu stoppen, sagte EPC-Experte Yves Pascouau. „Wir haben es nicht mit Leuten zu tun, die leiden, sondern es geht hier um Menschen, die sterben“, gab Pascouau zu bedenken.
Die Oberhäupter der EU-Staaten signalisierten, dass sie alles unter Kontrolle haben würden. Die großen Differenzen innerhalb der EU-28 würden jedoch gute Gründe liefern, daran zu zweifeln, dass man eine Lösung in der Flüchtlingskrise schaffen wird. Man würde nur vorgeben, etwas zu entscheiden, sagte Emmanouilidis zu den Ergebnissen des vierten Gipfels zum Thema Migration in sechs Monaten.
Beim aktuellen Gipfel kenne man etwa keine Details, wie zum Beispiel die beschleunigte Visabefreiung der Türkei vonstattengehen soll. Und sie ist einer der wichtigsten Eckpunkte im gemeinsamen Aktionsplan. Zweifel äußerte bei der Nachbetrachtung auch Pascouau an dem Plan, aus der Türkei ein sicheres Herkunftsland zu machen: „Insbesondere das EU-Parlament wird dem kaum zustimmen.“
Die Pläne zum Grenzschutz und die europäische Küstenwache erinnerten den Experten wiederum an die jahrelange Diskussion um eine EU-Armee. Auch bei den insgesamt elf geplanten Hotspots - Registrierungszentren für Flüchtlinge - in Griechenland und Italien gebe es Zweifel, wie diese tatsächlich funktionieren sollten. „Ob die EU-Staaten so stark sind, wie sie es vorgeben, wird sich weisen“, kommentierte Emmanouilidis die Lage.
Die EU befinde sich in der Flüchtlingskrise derzeit in Feuerbekämpfungs-Modus, sagte Emmanoulidis, und wies darauf hin, dass weder die Krise in der Ukraine, noch die in Griechenland vorbei seien. Allen Krisen gemeinsam sei, „dass sie nicht aus dem Blauen entstanden sind“, man hätte jeweils erwarten können, dass es so kommt, wie es gekommen ist.
Das Misstrauen innerhalb der EU, die Unzufriedenheit mit ihr und die Divergenz zwischen den EU-28 seien in den letzten Monaten jedenfalls gestiegen. Diese drei Faktoren und die Komplexität der Flüchtlingskrise seien die Gründe für das Durchwursteln. In den nächsten Jahren seien keine großen Schritte der EU zu erwarten.