Haft für Deutsche und Geheimagenten wegen Verbrechen unter Pinochet

Santiago de Chile (APA/AFP) - Ein Berufungsgericht in Santiago de Chile hat am Montag zwei Deutsche und einen ehemaligen Agenten des Geheimd...

Santiago de Chile (APA/AFP) - Ein Berufungsgericht in Santiago de Chile hat am Montag zwei Deutsche und einen ehemaligen Agenten des Geheimdienstes Dina zu je fünf Jahren Haft verurteilt. Sie wurden für schuldig befunden, während der chilenischen Militärdiktatur, zwischen April und Juni 1975 in einer koordinierten Aktion 50 Menschen verschleppt und in die Deutschensiedlung Colonia Dignidad gebracht zu haben.

In der Anlage in Südchile wurden die Opfer dem Urteil zufolge verhört und vor allem mit Stromschlägen gefoltert. Die chilenische Organisation Londres 38 hatte am Donnerstag auf ihrer Internetseite einen 1.200 Seiten umfassenden Bericht der chilenischen Polizei über die Verbindungen zwischen der Militärregierung von Augusto Pinochet (1973 bis 1990) und der Deutschensiedlung veröffentlicht. Auf dem weiträumigen Gelände wurden Pinochet-Gegner während der Militärdiktatur zu Tode gefoltert. Zeitweise lebten in der Siedlung hunderte deutsche Auswanderer und ihre Familienangehörigen.

Die beiden Deutschen, Gerhard Mücke und Kurt Schnellenkamp, verbüßen bereits Gefängnisstrafen wegen sexuellen Missbrauchs in der Siedlung. Der ehemalige Dina-Agent Fernando Gomez Segovia ist wegen Menschenrechtsverbrechen ebenfalls bereits inhaftiert.

Der nach dem Zweiten Weltkrieg aus Deutschland geflohene ehemalige Wehrmachtsgefreite Paul Schäfer hatte die „Kolonie Würde“ Anfang der 1960er-Jahre mit 300 Getreuen in einer Bergregion nahe der südchilenischen Stadt Parral gegründet. Derzeit existiert die Siedlung unter dem Namen Villa Baviera.

Schäfer wurde wegen Mordes, sexuellen Missbrauchs und Folter zu einer 20-jährigen Haftstrafe verurteilt. Er wurde 2005 inhaftiert und starb 2010 im Alter von 88 Jahren im Gefängnis. Laut einem amtlichen Untersuchungsbericht wurden während der Militärdiktatur 3.200 Menschen ermordet. Nachweislich wurden mindestens 28.000 Menschen gefoltert, vermutlich ist die Zahl der Opfer jedoch wesentlich höher.