Osttirol

Eine Schulstunde, die im Gedächtnis bleibt

© Funder

Der 89-jährige Zeitzeuge Pepi Wurzer gab im Gymnasium Lienz auf bewegende Weise Einblick in seine Erfahrungen während der NS-Zeit.

Von Claudia Funder

Lienz –Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. Eine Begegnung mit einem Zeitzeugen zieht deutlich mehr in den Bann als der Geschichtsstoff im Lehrbuch – das war den Schülern der 4. bis 7. Klassen des BG/BRG Lienz deutlich anzumerken.

Der Lienzer Pepi Wurzer ist 89 Jahre alt und mit einem bemerkenswerten Humor gesegnet. Doch im Saal des Gymnasiums gab er gestern auf bewegende Weise Einblick in eine immens dunkle Phase seines Lebens.

Er war 1938 in die neu gegründete „Oberschule für Jungen“ gekommen, aus der später das Gymnasium Lienz hervorgehen sollte. Mehrere Schlüsselerlebnisse, von denen er den Schülern berichtete, ließen den gläubigen Katholiken zum überzeugten Gegner des NS-Regimes werden. Erschütternd war für ihn schon als Elfjähriger jene Begebenheit, als der Weg, auf dem die Fronleichnamsprozession stattfinden sollte, plötzlich mit Hakenkreuzen bemalt war und seine Mutter in der Nacht vor dem Festtag die Schmierereien mit Wasser und Bürste zu entfernen versuchte. Sein Vater wurde des Dienstes verwiesen, ebenfalls ein einschneidendes Erlebnis für den Heranwachsenden.

Der einstige Schuldirektor wollte Pepi Wurzer nach Abschluss der ersten Klasse Oberschule aufgrund guter Zeugnisnoten in die Nationalpolitische Erziehungsanstalt nach Stuttgart entsenden – eine NS-Kaderschmiede. Als der 13-Jährige sich weigerte, erlebte er fortan einen Unterrichtsalltag voll Furcht und Erniedrigung. Schmähungen standen auf der Tagesordnung. Bei einem Ausflug zur Dolomitenhütte musste der schmächtige Bursche stundenlang einen schweren Stein schleppen, der im Anschluss einfach in einen Bach geworfen wurde. „Ein furchtbares Erlebnis“, erinnert sich Wurzer an diese unvergessene Schikane.

Erfahrungen wie diese formten Pepi Wurzer zum Widerstandskämpfer. Während seiner Ausbildungszeit in Innsbruck wurde er ob seiner Überzeugung von SS-Männern verhört und geschlagen. Ein Kinnhaken führte zum offenen Kieferbruch.

Einschüchtern ließ sich Pepi Wurzer dennoch nie. Geradlinig ging er seinen Weg weiter. 1947 holte er die Reifeprüfung nach und wechselte zur Post, wo er auch in Pension ging. Wurzer war jahrzehntelang Bezirksobmann des Bundes der Opfer des politischen Freiheitskampfes in Tirol.

Die Worte des charismatischen Zeitzeugen an die Jugend im Gymnasium und sein Appell, sich gegen Gewalt zu stellen, Menschen mit Würde zu begegnen und die Demokratie zu verteidigen, verhallten nicht. Sie werden vielen im Gedächtnis bleiben.

„Werdet nicht radikal!“, bat Pepi Wurzer gegen Ende seiner Begegnung mit den Schülern. „Wir haben Friede und sollten alle zusammenstehen, damit er erhalten bleibt.“

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Catharina Oblasser

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