Internationale Pressestimmen zur Flüchtlingsdebatte in Europa
Amsterdam/Madrid (APA/dpa) - Internationale Pressekommentare befassen sich auch am Dienstag mit der Flüchtlingsdebatte in Europa. Die tschec...
Amsterdam/Madrid (APA/dpa) - Internationale Pressekommentare befassen sich auch am Dienstag mit der Flüchtlingsdebatte in Europa. Die tschechische Zeitung „Lidove noviny“ schreibt:
„Europa kann nicht zum Retter aller Kriegsflüchtlinge der Welt werden. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Grenzen für jedermann durchlässig sind und dass die Regeln, auf denen die EU basiert, auf Kommando eines Landes aufgehoben werden. Wir können nicht auf die deutsche Art weitermachen, das heißt mit offenen Grenzen. Wir müssen die wirklichen Flüchtlinge identifizieren und die anderen dorthin zurückbringen, wo sie hergekommen sind. Eine weit geöffnete Grenze löst die Probleme genauso wenig wie eine ganz geschlossene. Wenn wir weiter zu halbherzigen Maßnahmen greifen, dann verursacht das nur einen weiteren Zustrom von unglücklichen Menschen und eine Zunahme des Extremismus im Inland.“
„Pravda“ (Bratislava):
„Allein schon um ihr Gesicht zu wahren, muss Angela Merkel auf ihrer Politik der offenen Tür (gegenüber Flüchtlingen) beharren. Paradoxerweise kann aber gerade das den Tag näher bringen, an dem auch Deutschland seinen - zumindest symbolischen - Zaun an der Grenze aufbaut. Für Europa wäre das eine Katastrophe. Um sie zu verhindern, reicht es nicht, (den türkischen Präsidenten Recep Tayyip) Erdogan zu bestechen, damit er an seiner Grenze das tut, wofür wir (den ungarischen Regierungschef Viktor) Orban geißeln. Das Chaos am Balkan zeigt, wie wichtig eine Krisenkommunikation im Rahmen der EU ist. Wenn sie nicht funktioniert, spüren das die am meisten, denen wir angeblich helfen wollen. Für die Flüchtlinge ist die Katastrophe nämlich jetzt schon da.“
„NRC Handelsblad“ (Amsterdam):
„Es ist nicht sicher, dass eine von der Türkei gemachte Hilfszusage tatsächlich zur Verminderung des Flüchtlingsstroms führt. Die Ursache des Problems liegt in Syrien, von woher die meisten Flüchtlinge stammen. Aber ohne eine Zusammenarbeit mit der Türkei ist diese Krise nicht unter Kontrolle zu bekommen. Ja, sie könnte sogar noch größer werden. Darum ist es gut, wenn die EU und Angela Merkel die Annäherung an die Türkei suchen. So bitter es auch sein mag, dass es nun aus einer Position der relativen Schwäche geschieht. Und so schmerzhaft es auch ist, wenn Europa damit zwei Wochen vor der türkischen Parlamentswahl einen Präsidenten unterstützt, der in seinem Land Zwietracht gesät hat und wieder Krieg gegen die Kurden führt. Aber die Türkei ist zu wichtig, als dass man ihr den Rücken zukehren könnte.“
„El Pais“ (Madrid):
„Die Stadt Köln gab mit der Wahl von Henriette Reker zur Oberbürgermeisterin eine Lektion in Sachen Courage. Die Wähler reagierten in der einzig wirksamen Weise auf das Attentat eines Rechtsradikalen. Sie ließen sich nicht einschüchtern durch die Vision der extremen Rechten, die in den Zuwanderern und Flüchtlingen eine Gefahr sieht.
Die Schweizer stimmten dagegen mehrheitlich für eine ausländerfeindliche Partei. Dass zwei ähnliche Gesellschaften so unterschiedlich reagieren, zeigt, wie wechselhaft die öffentliche Meinung in dieser Frage ist. Dabei sollten weder die Deutschen noch die Schweizer sich von den Flüchtlingen bedroht fühlen. Die Schweiz könnte ohne die im Land lebenden Immigranten viele Dienstleistungen nicht aufrechterhalten.“
„The Times“ (London):
„Der Wahlsieg der Einwanderungsgegner der euroskeptischen Schweizerischen Volkspartei wird die Nachbarn der Schweiz beunruhigen. In Frankreich positioniert sich die Chefin der Front National, Marine Le Pen, als starke Rivalin von (Präsident) Francois Hollande für die Präsidentenwahl 2017. Die Große Koalition von (der deutschen Bundeskanzlerin) Angela Merkel aus Konservativen und bürgerlichen Linken hat Mühe, den Andrang der Flüchtlinge zu bewältigen. Dies spielt den Rattenfängern ultra-nationalistischer Rechter in ganz Europa in die Hände.“