Ex-Porsche-Chef wegen Übernahmekrimis um VW vor Gericht
Frankfurt (APA/Reuters) - Sechs Jahre nach seinem Rücktritt wird der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking am Donnerstag erstmals wieder i...
Frankfurt (APA/Reuters) - Sechs Jahre nach seinem Rücktritt wird der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking am Donnerstag erstmals wieder im Rampenlicht der breiten Öffentlichkeit erscheinen. Der einstige Top-Manager, der die Sportwagenschmiede Porsche vom schwachen Nischenanbieter zur Goldgrube machte, steht dann als Angeklagter vor dem Landgericht in Stuttgart.
Die Staatsanwaltschaft wirft ihm und dem damaligen Finanzvorstand Holger Härter vor, mit Falschinformation im Übernahmepoker um Volkswagen Anleger gezielt in die Irre geführt und den VW-Kurs manipuliert zu haben. Bei einer Verurteilung drohen den Managern bis zu fünf Jahre Haft. Die Verteidiger hatten den Vorwurf als unbegründet zurückgewiesen. Wiedeking wird vor Gericht ausführlich Stellung nehmen, wie aus seinem Umfeld zu erfahren ist.
Die Staatsanwaltschaft hält es für erwiesen, dass er im Lauf des Jahres 2008 die Absicht der Porsche SE verschleiert hat, den viel größeren Volkswagen-Konzern zu übernehmen. Damit habe die Holding der Familien Porsche und Piech den VW-Aktienkurs zu ihren Gunsten gedämpft. Bereits 2005 hatte der Sportwagenbauer und ab Ende 2007 die Holding schrittweise ihre Anteile an VW erhöht, die Absicht eines Aufstockens auf beherrschende 75 Prozent aber in Pressemitteilungen dementiert. Erst am 26. Oktober 2008 gab das Unternehmen bekannt, diese Schwelle im Folgejahr erreichen zu wollen. Für eine Verurteilung müsste Wiedeking und Härter unter anderem nachgewiesen werden, dass sie den Übernahmeplan schon vor diesem Datum beschlossen hatten.
Das Landgericht hatte die Klage zunächst nicht angenommen. Es hielt den Vorwurf mit den vorliegenden Beweismitteln für zu schwierig nachweisbar, denn Vorstand und Aufsichtsrat hätten vor dem 26. Oktober keinen formellen Beschluss gefasst. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hin entschied das Oberlandesgericht, den Prozess dennoch eröffnen zu lassen. Es hält eine verdeckte frühere Beschlusslage für möglich, die durch Zeugenvernehmungen vor Gericht „unter dem Menetekel drohender Vereidigung“ bewiesen werden könne.
Wichtige Zeugen aus dem damaligen Aufsichtsrat - allen voran VW-Patriarch Ferdinand Piech und sein Cousin Wolfgang Porsche von den Eignerfamilien oder Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück von der Arbeitnehmerseite - werden nach Ansicht der Wiedeking-Verteidiger aber nicht aussagen müssen. Sie könnten sich auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, weil vor Kurzem erst ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft wegen Beihilfe zur Marktmanipulation bei der Porsche-VW-Übernahme gegen sie eingestellt wurde und sie sich mit Äußerungen sonst selbst belasten könnten.
Als Piech in diesem Frühjahr mit dem Versuch scheiterte, VW-Chef Martin Winterkorn mit einer knappen öffentlichen Distanzierung abzuservieren, kam die Erinnerung an Wiedeking auf. Auch er war bei Piech in Ungnade gefallen und musste im Sommer 2009 gehen, nachdem der kühne Übernahmeplan gescheitert war und in ein Schuldenfiasko geführt hatte. Piech soll dem Plan ohnehin lange Zeit skeptisch gegenüber gestanden haben.
Als der Westfale Wiedeking 17 Jahre zuvor die Führung des Stuttgarter Sportwagenherstellers übernommen hatte, stand das Familienunternehmen kurz vor der Pleite. Der gelernte Maschinenbauer brachte die Produktion auf Vordermann und machte Porsche zum profitabelsten Autobauer. Mit den Optionsgeschäften auf VW-Aktien bescherte Wiedeking den Familieneignern einen wahren Geldsegen - der Gewinn war zeitweise höher als der Umsatz. Wiedeking selbst war der bestverdienende Vorstandschef Europas und soll in der Spitze im Jahr 100 Millionen Euro eingestrichen haben, wie der „Spiegel“ unter Verweis auf die Klageschrift berichtete. Mit seinem Millionenvermögen hat sich der Hobby-Landwirt in mehrere Unternehmen eingekauft, darunter ein Schuhhersteller und E-Commerce-Firmen. Wiedeking gehört auch die Restaurantkette Tialini.
Als Beirat der österreichischen Signa Holding steht er Karstadt-Käufer Rene Benko zur Seite.
Um seine Geschäfte kann sich der 63-Jährige vorerst nicht mehr so viel kümmern: Bis Jänner verhandelt das Landgericht fast jede Woche an zwei Tagen über sein früheres Wirken.
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