Polen-Wahl: Die wichtigsten Parteien im Überblick

Warschau (APA) - Ähnlich wie bei allen Parlamentswahlen seit 2005 führen auch vor dem diesjährigen Urnengang am 25. Oktober die rechtslibera...

Warschau (APA) - Ähnlich wie bei allen Parlamentswahlen seit 2005 führen auch vor dem diesjährigen Urnengang am 25. Oktober die rechtsliberale Regierungspartei „Bürgerplattform“ (PO) und die rechtskonservative Oppositionspartei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) mit großem Vorsprung in den Umfragen. Diesmal werden jedoch der PiS eindeutig die größeren Siegeschancen gegeben.

Nach acht Jahren der Liberalen am Regierungssteuer wünscht sich die Mehrheit der Wähler offenbar eine Veränderung. Ein erstes Vorzeichen eines tiefergehenden Stimmungswandels in der Gesellschaft war die Präsidentschaftswahl im Mai, bei der das aus der PO stammende bisherige Staatsoberhaupt Bronislaw Komorowski eine überraschende Niederlage erlitt und den Sieg des PiS-Kandidaten Andrzej Duda anerkennen musste.

Die endgültige Zusammensetzung des Unterhauses nach der Wahl am Sonntag ist schwer vorherzusagen, weil viele kleinere Parteien laut Umfragen knapp an der Sperrhürde - fünf Prozent für Parteien und acht Prozent für Wahlbündnisse - rangieren und sich außer PiS und PO praktisch keine Gruppierung ihrer parlamentarischen Existenz sicher sein kann. Im Folgenden ein Überblick über die wichtigsten Parteien:

Die größte Oppositionspartei „Recht und Gerechtigkeit“, die bei den Wahlen in einem Bündnis mit einigen konservativen Splitterparteien antritt, wurde im Juni 2001 gegründet, gestützt auf die Popularität des damaligen Justizministers und späteren Staatspräsidenten Lech Kaczynski, der im April 2010 beim Absturz einer polnischen Regierungsmaschine nahe Smolensk ums Leben kam. Die rechtskonservative Partei übernahm nach der gewonnenen Parlamentswahl im Herbst 2005 Regierungsverantwortung. Während der zwei Jahre dauernden Regierungszeit waren der Kampf gegen Korruption und die Schaffung einer Vierten Republik die Hauptziele der PiS. Nach Ansicht ihres Parteichefs Jaroslaw Kaczynski basiert die nach der Wende geschaffene Dritte Republik auf einem „Komplott“ mit den früheren Kommunisten.

Im laufenden Wahlkampf wirft die Partei, die seit den verlorenen vorgezogenen Wahlen 2007 in der Opposition ist, der PO vor, vor allem die Interessen der Reichen zu vertreten, eine „unterwürfige“ Politik gegenüber der EU zu betreiben, das Land wirtschaftlich zu ruinieren und junge Menschen wegen Perspektivenmangels zur Emigration zu zwingen. Nach der erwarteten Machtübernahme versprechen die Konservativen vor allem eine zusätzliche Besteuerung des Finanzsektors sowie die Rücknahme von Reformen der derzeitigen Regierung - etwa eine Absenkung des zuletzt erhöhten Pensionsalters und die Abschaffung der Schulpflicht für Sechsjährige. Um das als aggressiv kritisierte Image der Partei zu mildern, haben sich einige besonders umstrittene PiS-Politiker in den vergangenen Wochen aus dem Wahlkampf zurückgezogen. Gesicht der PiS-Wahlkampagne und offizielle Premierskandidatin der Partei ist ihre Vizechefin Beata Szydlo. Umfragewerte: 32 bis 36 Prozent.

Die „Bürgerplattform“ wurde vor den Parlamentswahlen 2001 von konservativen und liberalen Politikern aus verschiedenen Parteien (darunter aus der „Wahlaktion Solidarnosc“/AWS) gegründet. Ursprünglich war sie eine Mitte-Rechts-Partei, die besonders in Wirtschaftsfragen liberale Positionen vertreten hat. Acht Jahre an der Regierung bewirkten, dass die PO vom dogmatischen Liberalismus Abschied nahm und seit längerer Zeit immer öfter soziale Aspekte in ihrem Programm unterstreicht. Im Vergleich zur PiS tritt die PO weitaus proeuropäischer auf.

In weltanschaulichen Fragen bemüht sich die Partei um Neutralität, auch, weil sie in dieser Hinsicht intern gespalten ist. Im Kampf um linksorientierte Wähler verabschiedete sie aber im vergangenen Jahr eine Reihe von den Konservativen scharf kritisierter Novellen, wie Gesetze über Geschlechtsumwandlung und In-vitro-Befruchtung. Vor einem Jahr verlor die PO ihren als charismatisch geltenden Parteichef Donald Tusk, der EU-Ratspräsident wurde. Spitzenkandidatin der PO ist seine Nachfolgerin im Amt des Regierungschefs, Ewa Kopacz. Umfragewerte: 22 bis 27 Prozent.

Das Wahlbündnis „Vereinigte Linke“ wurde vor den kommenden Parlamentswahlen vom „Bündnis der Demokratischen Linken“ (SLD), der linksliberalen Partei „Deine Bewegung“ (TR) und einigen kleinen Linksgruppierungen gebildet. Der Zusammenschluss war eine Antwort auf katastrophale Umfrageergebnisse der Linken, die sich seit der von zahlreichen Korruptionsaffären erschütterten SLD-Regierung 2005 praktisch ununterbrochen in einer Krise befanden. Die zunehmend rechtskonservative Stimmung in der Gesellschaft hat dazu geführt, dass den zersplitterten Linken zum ersten Mal seit der Wende droht, im neuen Parlament überhaupt nicht mehr vertreten zu sein. Der Wahlspruch der „Vereinigten Linken“ lautet „Schulen bauen, Priester besteuern“. Spitzenkandidatin ist die TR-Mitvorsitzende Barbara Nowacka. Umfragewerte: sechs bis elf Prozent.

Die neue Protestbewegung „Kukiz‘15“ wurde nach der heurigen Präsidentschaftswahl gegründet, nachdem der 52-jährige politische Quereinsteiger und populäre Rock- und Punkmusiker Pawel Kukiz bei dem Urnengang mit national-patriotischer Rhetorik überraschend mit mehr als 20 Prozent der Stimmen den dritten Platz erreicht hatte. Die wichtigste Forderung des Systemgegners ist die Einführung eines Mehrheitswahlrechts für die Wahl des Unterhauses (Sejm) und die „Rückgabe Polens an die Bürger“. Darüber hinausgehende programmatische Festlegungen lehnt er ab.

Politologen sind sich einig, dass Kukiz‘ Erfolg eine Konsequenz der wachsenden Unzufriedenheit der Bürger mit dem aktuellen Zustand der polnischen Politik ist, die seit Jahren vom Dauerstreit zwischen den beiden Großparteien PO und PiS dominiert wird. Noch Anfang Juni platzierte sich die Kukiz-Bewegung mit 24,2 Prozent Zustimmung in einer Umfrage an erster Stelle. Seither befindet sie sich jedoch wegen ständiger Streitigkeiten des Parteichefs mit seinen Anhängern im Abwärtstrend. „Kukiz‘15“ möchte nach der Parlamentswahl mit keiner Partei eine feste Koalition bilden, ist jedoch bereit, die Schaffung eines PiS-Kabinetts zu unterstützen. Spitzenkandidat ist Pawel Kukiz selbst. Umfragewerte: fünf bis acht Prozent.

Die moderate Bauernpartei PSL - gegründet 1895 - ist eine der ältesten polnischen Parteien. Sie vertritt konservative Werte und konzentriert sich in ihrem Programm vor allem auf Landwirte. In der aktuellen Regierung führt die PSL drei Ministerien - jene für Wirtschaft, Landwirtschaft sowie Arbeit und Sozialpolitik. Von allen Parlamentsparteien wird der PSL die größte Koalitionsfähigkeit zugeschrieben. PSL-Politiker schließen eine Koalition mit der PiS im Falle eines Sieges der Konservativen nicht aus. Frühere Urnengänge weisen darauf hin, dass die Partei in Umfragen zumeist unterbewertet ist. Das Gesicht des PSL-Wahlkampfs ist ihr Parteichef und Wirtschaftsminister Janusz Piechocinski. Umfragewerte: drei bis sechs Prozent.

Die rechtspopulistische Partei „KORWiN“ (Koalition zur Erneuerung der Republik, Freiheit und Hoffnung) wurde im Jänner 2015 gegründet, nachdem der umstrittene EU-Abgeordnete Janusz Korwin-Mikke den „Kongress der Neuen Rechten“ (KNP), angeblich wegen finanzieller Probleme der Gruppierung, verlassen hatte. Der 72-jährige erklärte Demokratiegegner und überzeugte Monarchist sorgt seit Jahren mit als ausländerfeindlich, antisemitisch und frauenfeindlich kritisierten Äußerungen für Kontroversen. So hatte er etwa einmal angekündigt, er wolle das EU-Parlamentsgebäude „verkaufen und dort ein Bordell“ errichten. Seine Partei fordert die Abschaffung der Einkommenssteuer und Versicherungspflicht, Bürokratieabbau und Deregulierung aller Berufe sowie die Wiedereinführung der Todesstrafe für Mord. Spitzenkandidat ist Janusz Korwin-Mikke selbst. Umfragewerte: drei bis fünf Prozent.

(Grafik 1184-15, Format 88 x 170 mm)