Gesundheit

Blutarmut ist nur der Anfang

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Am Sonntag ist Welt-MDS-Tag. Experten von der Medizinischen Universität Innsbruck sind an einem EU-Projekt zur Erforschung der bösartigen Bluterkrankung beteiligt.

Von Theresa Mair

Innsbruck –MDS, diese Abkürzung hört man selten. Diese Krankheit betrifft aber viele. MDS steht für das myelodysplastische Syndrom, eine bösartige Bluterkrankung, die in ungünstigen Fällen in eine Leukämie übergehen kann.

Ein MDS wird bei sechs von 100.000 Menschen pro Jahr diagnostiziert. Reinhard Stauder, der Leiter der MDS-Sprechstunde an der Klinik für Innere Medizin V der Medizinischen Universität Innsbruck, ist jedoch davon überzeugt, dass die Dunkelziffer viel höher ist. „Ich schätze, dass jedes Jahr mehrere hundert Tiroler neu an MDS erkranken. Eine Blutarmut wird beim älteren Menschen oft nicht ausreichend abgeklärt“, nennt er als Grund dafür. Die Blutarmut stellt ein Warnsignal für MDS dar. Das Durchschnittsalter bei Ausbruch der Erkrankung ist laut Stauder 74 Jahre, wobei etwas mehr Männer als Frauen erkranken.

Stauder ist beim EU-Projekt MDS-Right für die Erforschung der Rolle der Lebensqualität bei MDS zuständig. Am Sonntag ist der Internationale MDS-Tag. Zu diesem Anlass erklärt er, was es mit der Bluterkrankung auf sich hat.

„Das Knochenmark kann man sich wie eine Fabrik vorstellen, in der rote Blutkörperchen, weiße Blutkörperchen und Blutplättchen produziert werden. In der Reifung der Zellen kann es jedoch zu Fehlern kommen, welche zu Veränderungen, den so genannten Dysplasien, führen.“ Wenn also zu wenige oder fehlerhafte Blutzellen produziert werden, liegt ein MDS vor.

Die ersten Warnsignale erkennt man im Blutbild, das etwa im Zuge der jährlichen Gesundenuntersuchung gemacht wird. Zur Sicherung der Diagnose ist laut Stauder aber eine Knochenmarkpunktion notwendig. Dabei wird dem Patienten in einer Kurzdiagnose mit einer Spritze Knochenmark aus dem Beckenkamm entnommen und dieses anschließend mit dem Mikroskop und molekularbiologisch untersucht.

Diese so genannten zytogenetischen und molekularen Verfahren dienen dazu, jene Gene zu bestimmen, die von Abweichungen betroffen sind. Vor Behandlungsbeginn müsse zudem abgeklärt werden, ob nicht ein Eisen-, Folsäure- oder Vitamin-B12-Mangel der Grund für die Blutarmut und die Beschwerden sind.

Doch auch wenn die Diagnose MDS feststeht, bedeutet dies nicht unbedingt Handlungsbedarf: „In einem frühen Stadium reicht es aus, den Verlauf alle drei Monate zu kontrollieren. Etwa 20 Prozent der Patienten bleiben stabil und brauchen gar keine Therapie.“ Erkrankte mit massiver Blutarmut würden jedoch mitunter sehr viele Bluttransfusionen oder so genannte rekombinante Wachstumsfaktoren benötigen.

Wachstumsfaktoren werden verabreicht, um v. a. die roten Blutkörperchen zu stimulieren. „Die künstliche Herstellung von Wachstumsfaktoren durch die Pharmaindustrie ist ein wirklicher Fortschritt in der Behandlung“, betont Stauder. Bei einem starken Infekt, der nicht in den Griff zu bekommen ist, verabreiche man Wachstumsfaktoren für weiße Blutkörperchen. Bei der seltenen MDS-Form mit Chromosom-5-Defekt erzielt man ihm zufolge mit dem Wirkstoff Lenalidomid gute Erfolge.

Es kann jedoch auch zu einem schweren Verlauf der Krankheit kommen, bei der die bösartigen Blutzellen (Blasten) auf über 20 Prozent im Knochenmark ansteigen. Dann droht eine akute Leu­kämie. „Bei jüngeren Patienten bis zu maximal 70 Jahren ist dann eine Stammzellentransplantation zielführend“, sagt der Mediziner.

Alternativ gibt es die Möglichkeit einer Chemotherapie mit dem laut Stauder sehr gut verträglichen Medikament Vidaza. Er hofft jedoch, dass bald für jede MDS-Form ein spezifisches Medikament entwickelt werden kann. „Ein Medikament muss passen wie der Schlüssel in das Schloss“, benennt der Experte das Ziel. Neben den biologischen Vorgängen, welche bei MDS noch geklärt werden müssen, spielt aber auch die Lebensqualität der Patienten eine bedeutende Rolle.

„Die Selbsteinschätzung der Patienten ist ein unabhängiger Faktor für die Prognose“, macht er deutlich. Britta Halter, die Studienkoordinatorin des MDS-Right-Projekts, befragt dafür Patienten u. a. zu ihrer Ernährung, ihrem sozialen Umfeld und ihren Erwartungen. Die Untersuchung soll Aufschluss darüber geben, ob die Lebensqualität den Verlauf von MDS beeinflusst, und Ansätze zur Verbesserung der Behandlung liefern.

Wie sich das myelodysplastische Syndrom (MDS) äußert:

Weiße Blutkörperchen: Die Leukozyten sind im Blut für die Immunabwehr zuständig. Bei einem Mangel können einfache Infekte schwerwiegend verlaufen.

Rote Blutkörperchen: Die Erythrozyten sorgen für den Sauerstofftransport im Körper. Wer zu wenige rote Blutkörperchen hat, ist blutarm, blass, wenig leistungsfähig und hat schnell Herzklopfen.

Blutplättchen: Die Thrombozyten sorgen für die Blutgerinnung. Sie verschließen Wunden. Ein Thrombozyten-Mangel kann schon bei banalen Stürzen zu schwerwiegenden Blutungen führen.

Ursache von MDS: Bekannter Auslöser für ein myelodysplastisches Syndrom ist in etwa zehn Prozent eine vorangegangene Chemo- oder Strahlentherapie. Auch Lösungsmittel und Rauchen gelten als MDS-begünstigende Ursachen. In der Mehrzahl der Fälle bleibt die Ursache für das MDS unbekannt.

Fatigue: Neben Blutarmut ist Fatigue – ein medizinischer Sammelbegriff für Abgeschlagenheit, Müdigkeit und verminderte Leistungsfähigkeit – das deutlichste Symptom für MDS.

Weitere Symptome: Wiederkehrende oder nicht abheilende Infekte wie Lungenentzündungen, Fieberblasen, Furunkel und Abszesse, starke Regelblutung, und schnelle Hämatombildung auch bei leichtem Anstoßen.

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