Marine Le Pen wegen „Anstiftung zu Hass“ vor Gericht
Die Vorsitzende der Front National (FN) sagte am Dienstag vor Prozessbeginn, sie habe sich „keines Vergehens schuldig gemacht“.
Lyon – In Frankreich hat sich die rechtsextreme Politikerin Marine Le Pen wegen eines Vergleiches öffentlicher muslimischer Gebete mit der Besatzung Frankreichs durch die Nazis vor Gericht verantworten müssen. Die Vorsitzende der Front National (FN) sagte am Dienstag vor Prozessbeginn im ostfranzösischen Lyon, sie habe sich „keines Vergehens schuldig gemacht“.
Die Staatsanwaltschaft forderte einen Freispruch und verwies auf das Recht auf Meinungsfreiheit. Das Urteil soll am 15. Dezember gefällt werden.
Die Europaabgeordnete hatte während einer Rede im Dezember 2010 gesagt, auf offener Straße betende Muslime seien „eine Besatzung von Teilen von Territorium“ Frankreichs. „Sicher gibt es keine Panzer und keine Soldaten, aber trotzdem ist es eine Besatzung, und sie lastet auf den Einwohnern“, sagte sie vor jubelnden Parteimitgliedern. Der 47-Jährigen wurden daraufhin „Anstiftung zu Diskriminierung, Gewalt oder Hass gegen eine Personengruppe wegen ihrer Religionszugehörigkeit“ vorgeworfen.
Vor dem Prozess sagte Le Pen mit einem selbstbewussten Lächeln, dieser sei politisch motiviert. Wenige Wochen vor den Regionalwahlen wolle die sozialistische Regierung ihr mit der „juristischen Verfolgung“ Schaden zufügen und ihre freie Meinungsäußerung einschränken. Überdies wiederholte sie ihre umstrittenen Äußerungen. Öffentliche Gebete seien „illegal“ und dort, wo Muslime öffentlich beten, würden „religiöse Gesetze“ aufgezwungen. Dies widerspreche der säkularen Verfassung Frankreichs. „Es ist mein Recht als gewählte Politikerin, derart grundlegende Sachverhalte auszusprechen. Es ist sogar meine Pflicht“, sagte sie.
Nebenkläger Jean Philippe von der Antirassismus-Organisation Mrap hingegen bewertete Le Pens Aussagen als Verweis auf die NS-Besatzung und bezeichnete sie als „inakzeptabel“. „Sie stellen eine Armee, die Millionen Menschen getötet hat, auf eine Stufe mit einigen friedlichen Gläubigen, die auf der Straße beten“, sagte Philippe.
Le Pen hat dennoch gute Aussichten auf einen Freispruch: Staatsanwalt Bernard Reynaud sagte, die Politikerin habe mit ihren Äußerungen „von einer Minderheit“ gesprochen, und „nicht die gesamte muslimische Gemeinschaft“ angesprochen. Damit habe sie lediglich „ihr Recht auf freie Meinungsäußerung ausgeübt“. „Ich fordere einen Freispruch“, sagte Reynaud.
Als Le Pen den Gerichtssaal verließ, kam es auf dem Gang zu einem heftigen Wortgefecht. Eine dunkelhäutige Frau ging dabei auf eine FN-Sympathisantin zu, zeigte ihr ihren französischen Pass und sagte: „Ich bin Französin und stolz, es zu sein“. Die FN-Anhängerin entgegnete, Frankreich werde „nicht alle Migranten“ aufnehmen. „Ihr seid Hunde, Barbaren“, sagte sie der dunkelhäutigen Frau ins Gesicht.
Die Tochter des mehrfach wegen rassistischer und antisemitischer Äußerungen verurteilten FN-Gründers Jean-Marie Le Pen steht erstmals wegen ähnlicher Vorwürfe vor Gericht. Sie ist eigentlich darum bemüht, die Front National im Vergleich zu ihrem Vater gemäßigter erscheinen zu lassen und so für breitere Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen. Bei den Regionalwahlen im Dezember könnte die Partei in einigen Regionen stärkste Kraft werden.
Im Falle einer Verurteilung drohen Marine Le Pen bis zu einem Jahr Haft und 45.000 Euro Geldstrafe. Das Urteil soll am 15. Dezember gesprochen werden. (APA/AFP)