Flüchtlinge - Regisseur Hazanavicius fordert Diskurs gegen Populismus

Brüssel (APA) - „Der wahrhaftig Verbündete des Populismus ist das Schweigen“, sagte der französische Regisseur Michel Hazanavicius am Dienst...

Brüssel (APA) - „Der wahrhaftig Verbündete des Populismus ist das Schweigen“, sagte der französische Regisseur Michel Hazanavicius am Dienstag im Europaparlament in Brüssel angesichts der Flüchtlingskrise. Anlass war die Initiative „For a Thousand Lives: Be Human“, die nach dem Flüchtlingsdrama in Österreich mit 71 Toten gegründet wurde. Zahlreiche Filmschaffende unterstützen die in Wien gegründete Plattform.

Gemeinsam mit namhaften Kollegen aus dem Filmbereich, darunter den Schauspielerinnen Hanna Schygulla und Valeria Bruni Tedeschi, reiste Hazanavicius nach Brüssel, um an die EU zu appellieren, im Umgang mit der Flüchtlingsthematik Maßnahmen zu treffen. Nach einer gemeinsamen Pressekonferenz waren Treffen mit Parlamentspräsident Martin Schulz und dem Ersten Vizepräsident der Kommission, Frans Timmermans, angesetzt. Mehr als 5.500 Filmschaffende haben die von der in Wien lebenden, belgischen Dokumentarfilmerin Nathalie Borgers sowie der österreichischen Filmproduzentin Ursula Wolschlager gestarteten Initiative seit September unterzeichnet, darunter u.a. „Bond“-Star Daniel Craig, die Schauspielerinnen Juliette Binoche und Isabelle Huppert sowie Regiegrößen Michael Haneke, Mike Leigh und Thomas Vinterberg.

Die Rechtspopulisten in Europa würden die Flüchtlingskrise für ihre Zwecke nützen und so die ganze Politik lähmen, so Hazanavicius, der mit seinem Stummfilm „The Artist“ (2011) fünf Oscars gewann, bei der Pressekonferenz. „Der demagogische Diskurs ist telegener und wird mehr gehört als die Gegenströmung.“ Was Frankreich betrifft, da „hört man zwar Merkel, aber keinen politischen Diskurs von Europa“, sagte der Regisseur. „Es geht auch nicht um das reine Managen der Krise, sondern es geht darum, sich auf die Grundwerte Europas zu besinnen.“

Dem schloss sich auch der britische Labour-Europaabgeordnete Claude Moraes an, der in einer Aussendung betonte, dass die EU nicht nur eine Wirtschaftsunion, sondern „auch eine Union der Werte ist“. „Der Winter bahnt sich an, und viele Menschen werden auf den Routen in die EU sterben“, warnte Moraes. Hazanavicius forderte daher in einem Appell an die Staats- und Regierungschefs und die europäischen Institutionen, das Dublin-System fallen zu lassen. Dieses sei „eine Bremse für die Solidarität“, stattdessen brauche es eine bessere Verteilung der Flüchtlinge in Europa. Das Dublin-System sieht vor, dass das EU-Land der Erstaufnahme für Asylverfahren zuständig ist.

Die Schauspielerin Hanna Schygulla, die polnischer Herkunft ist und nach dem Zweiten Weltkrieg selbst mit ihrer Mutter nach Bayern geflüchtet ist, richtete sich an die Flüchtlinge selbst. „Polnisches Schwein hat man mich damals genannt“, sagte Schygulla. „Lasst nicht zu, dass das euch betrifft.“ Auch sie habe sich immer anders gefühlt in Deutschland, aber „dieses irgendwie anders sein hat es mir ermöglicht, über mich hinauszuwachsen“. Valeria Bruni Tedeschi, Filmschaffende und Schwester von Carla Bruni, betonte, dass es bei der Aufnahme der Flüchtlinge nicht nur um Großzügigkeit allein gehe: „Es ist ein Akt auch in unserem Interesse. Niemand ist mehr wert als ein anderer, und so können uns auch die Flüchtlinge etwas geben“, so Bruni Tedeschi.

Auch österreichische Europaabgeordnete unterstützten die Initiative der Filmschaffenden parteienübergreifend. „Es ist ein schönes und wichtiges Zeichen, dass sich bereits mehr als 5.500 Filmschaffende aus ganz Europa für Gerechtigkeit und Zusammenhalt in der Flüchtlingsfrage öffentlich eingesetzt haben“, so SPÖ-Delegationsleiterin Evelyn Regner in einer Aussendung.

„Wir brauchen das Engagement der Zivilgesellschaft bei der Aufnahme und beim Umgang mit den Flüchtlingen“, sagte ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas. Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments und Delegationsleiterin der Grünen, Ulrike Lunacek betonte, nur mit europaweiter Solidarität könne ein EU-weites rechtskonformes und menschliches Asylsystem eingerichtet werden, „das seinen Namen verdient und nicht wie bisher Lotterie und Abschreckungssystem zugleich darstellt“. Die NEOS-Europaabgeordnete Angelika Mlinar sieht in der Initiative der Künstler einen wichtigen Beitrag, da die der Filmindustrie eine Achse bediene, welche die Politik so nicht erreichen könnte.

(S E R V I C E - www.for-a-1000-lives.eu)