Nahost-Konflikt - Ex-Militärs: Israelische Regierung ohne Strategie
Jerusalem (APA) - Eine Lösung des Nahost-Konflikts sei möglich, werde aber immer schwieriger. Davon zeigten sich der pensionierte israelisch...
Jerusalem (APA) - Eine Lösung des Nahost-Konflikts sei möglich, werde aber immer schwieriger. Davon zeigten sich der pensionierte israelische Brigadegeneral Shlomo Brom und der Oberstleutnant der Reserve der israelischen Armee, Ron Shatzberg, im Gespräch mit Journalisten in Jerusalem überzeugt. Aber „die Politik auf beiden Seiten behindert jene, die an einem Abkommen interessiert sind“, glaubt Brom.
„Wir haben die Hoffnung auf ein Abkommen verloren“, da in Israel die nationalistische Rechte an der Macht sei und kein Abkommen wolle und die palästinensische Führung an Legitimität verliere, ist Brom, der mittlerweile für den Thinktank „INSS“ (The Institute for National Security Studies) arbeitet, überzeugt. „Beide Seiten managen den Konflikt, anstatt ihn zu lösen.“
Politisch agiere man in Israel wie in Griechenland oder Italien, es gebe aber ein viel größeres Problem, analysiert der pensionierte General. Religion und Nationalismus würden einen negativen Einfluss ausüben, „für eine Lösung muss es Kompromissbereitschaft geben.“ In den 1990er-Jahren habe es Hoffnung gegeben. Die Unterschiede zwischen beiden Seiten seien nicht zu groß gewesen, doch obwohl viel erreicht worden sei, hätten beide Verhandlungspartner zu wenig getan.
Auf palästinensischer Seite hätten jene Fraktionen, die ein Abkommen verhindern wollten, auch während der Gespräche Gewalt angewandt, um ein solches zu verhindern. Außerdem seien die Palästinenser aufgrund des Siedlungsausbaus in den besetzten Gebieten zur Überzeugung gelangt, dass Israel gar keinen Frieden wolle, so Brom. Das Ziel von Oslo sei es gewesen, Vertrauen zu bilden, um dann eine permanente Vereinbarung zu treffen, erklärt Shatzberg. Doch die israelische Regierung wolle kein permanentes Abkommen und tue auch nichts dafür, glaubt er.
„Leider hat unsere Regierung keine Strategie, falls Netanyahu (Premierminister Benjamin, Anm.) wüsste, was er will, wäre es einfacher. So ist es sehr gefährlich“, konstatiert Shatzberg. Netanyahus Ansatz sei kollabiert, es genüge nicht, kein Risiko einzugehen und zu warten, bis sich die Situation in der Nachbarschaft stabilisiert. „Jetzt muss man proaktiv sein und mit den Alliierten Stabilität schaffen“, fordert Shatzberg, der aktuell beim israelischen Thinktank „Economic Cooperation Fundation“ tätig ist.
Das Zeitfenster für eine Lösung würde immer kleiner werden, glaubt indes Brom. Zum einen durch den demografischen Wandel in Israel, wo die orthodoxen Juden aufgrund ihrer hohen Geburtenzahlen an Einfluss gewinnen würden, und zum anderen aufgrund des israelischen Siedlungsausbaus. Jetzt müssten irreversible Schritte vermieden werden. Der Ausbau der Siedlungen in den besetzten Gebieten müsse „gestoppt oder, um realistischer zu sein, begrenzt werden“, fordert Brom.
Die verschiedenen Zonen des „Interimsabkommens über das Westjordanland und den Gazastreifen“ (auch: Oslo II) von 1995, seien vom Militär festgelegt worden, so Brom. „Wir hatten Treffen mit der Politik um festzulegen, was unsere Interessen im Westjordanland sind, doch wir erhielten nie eine Antwort.“ Doch generell seien die Anwendungsmöglichkeiten von militärischen Mitteln begrenzt, „wenn man eine ernsthafte Person im Militär ist“, wisse man das, so Brom. Überhaupt müsse man sich fragen, warum der Sechstagekrieg, der aus israelischer Sicht erfolgreich war, zu einer Ausdehnung des Konflikts geführt habe. Denn geringerer militärischer Erfolg wie beim Jom-Kippur-Krieg 1973, habe schließlich zum Friedensabkommen mit Ägypten 1979 geführt.
In Sicherheitsfragen sei es klar, was die Armee tun müsse, fügt Shatzberg hinzu. Im Westjordanland ist die Armee eine Art Regierung und muss sich mit allen Aspekten des Lebens befassen. Die Zonen A und B würden von der palästinensischen Autonomiebehörde regiert und umfassten 95 Prozent der palästinensischen Bevölkerung, Zone C sei unter Kontrolle der Armee. Doch dieses Zonen-Konzept sei nicht mehr relevant. Der Aufbau eines palästinensischen Staates müsse fortgeführt werden, denn die palästinensische Wirtschaft brauche Stabilität um wachsen zu können, so Shatzberg. Das gehe nicht ohne finanzielle und politische Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Momentan schlittere man aber ohnehin „in Richtung einer 1-Staatenlösung“.
Mit den Siedlungen sei man noch nicht an einem „point of no return“ angelangt. 200.000 israelische Siedler lebten in Ost-Jerusalem, 360.000 im Westjordanland. Davon hätten 60 Prozent der Gebiete im Ausgleich für andere Gebiete laut dem Plan von Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas von 2008 zu Israel kommen sollen. 60.000 bis 120.000 israelische Siedler wären nach einem Abkommen unter palästinensische Kontrolle gekommen, so Shatzberg. Brom glaubt indes, dass die große Mehrheit der israelischen Siedler in diesem Fall nach Israel gehen würde, einige würden es jedoch vorziehen, als Minderheit in einem palästinensischen Staat zu bleiben.
Falls es zu einem Abkommen komme, sei es notwendig, dass dies von einer möglichst breiten Mehrheit in der Knesset (israelisches Parlament, Anm.) getragen werde, ist Shatzberg überzeugt. Dies inkludiere die Abgeordneten der arabischen Minderheit. Widerstand werde es aber sowieso geben. Ob die jüngsten Ereignisse bereits eine Intifada (Aufstand, Anm.) seien, wisse man nicht. Außerdem gebe es ohnehin „komplett verschiedene Sichtweisen der Ereignisse“ vonseiten der Israelis und der Palästinenser, so Shatzberg.
Dass es bei den jüngsten Ereignissen auch Fälle gegeben habe, wo tödlicher Schusswaffengebrauch nicht notwendig gewesen sei, wolle er nicht abstreiten, so Brom. Doch seien solche Augenblicksentscheidungen sehr schwierig. Doch „intelligente Soldaten verstehen, dass sie ihre Aufgabe so erfüllen müssen ohne neuen Anlass für einen Aufstand zu schaffen“.
(Grafik 1211-15; Format: 88 x 178 mm)