Flüchtlinge neue Herausforderung der Stadtentwicklung in Mannheim

Mannheim/Wien (APA) - Die Flüchtlingsbewegungen stellen Politiker und Kommunalverwaltungen in Deutschland und Österreich vor große Herausfor...

Mannheim/Wien (APA) - Die Flüchtlingsbewegungen stellen Politiker und Kommunalverwaltungen in Deutschland und Österreich vor große Herausforderungen. Wie gravierend diese sind, weiß auch der österreichische Kulturmanager und Theatermacher Airan Berg. Von der Stadt Mannheim ursprünglich zur Entwicklung einer Bewerbung als Kulturhauptstadt Europas engagiert, hilft er nun beim raschen Umbau der Stadtentwicklungs-Konzepte.

Anfang Juli wurde der seit 2007 regierende SPD-Oberbürgermeister Peter Kurz für eine zweite Amtsperiode wiedergewählt - und stand bald vor einer unerwarteten Herausforderung. Der Zustrom tausender Flüchtlinge hat die 300.000 Einwohner-Stadt in Baden-Württemberg verändert. „Als ich nach dem Sommer in die Stadt zurückgekommen bin, war alles anders“, so Berg im Gespräch mit der APA.

In Mannheim waren Truppen der US-Army stationiert. Ihr Abzug hat große, ehemals exterritoriale Grundstücke und Gebäudekomplexe in Stadtteile verwandelt, die gleichermaßen Brachland wie Hoffnungszone der Stadt sind. Sowohl für die Kulturhauptstadt-Bewerbung als auch für die Ausrichtung der Bundesgartenschau 2023 waren diese Areale von großer Bedeutung. „Stadtanimator“ Airan Berg, der nach seiner Wiener Schauspielhaus-Direktion bei der Kulturhauptstadt Linz09, bei der Kulturhauptstadt-Bewerbung des süditalienischen Lecce und in Istanbul reiche Erfahrung mit partizipartorischen Projekten gesammelt hat, war von Mannheim für die kulturelle Stadtentwicklung geholt worden.

Für künftige neue Stadtteile waren Misch-Nutzungs-Konzepte entwickelt worden und die Vertragswerke für Investoren bereits unterschriftsreif. Nun sind die ehemaligen Armee-Kasernen in Windeseile zu Flüchtlingsquartieren umfunktioniert worden. „Mannheim ist zur Erstaufnahmestadt deklariert worden - einfach, weil der Platz da war“, sagt Berg, der derzeit für einen Vortrag und einen Workshop mit Studenten der Universität für Angewandte Kunst in Wien ist. 9.000 Flüchtlinge sind schon in Mannheim, bis zu 12.000 sollen es werden.

Doch die für einen Aufenthalt von wenigen Tagen konzipierten Unterkünfte werden nun vermutlich für eine durchschnittliche Aufenthaltsdauer von vier bis sechs Monaten dienen müssen. „Das bedeutet aber, dass man jetzt ganz andere Räume schaffen muss. Traumatisierte Menschen brauchen Strukturen. Es geht darum, einander mit Respekt zu begegnen und von einander zu lernen. Es geht nicht nur um Deutsch-Unterricht, es geht auch um Cultural Codes und darum, von dem Mehrwert der Flüchtlinge zu profitieren.“ Die Situation schaffe auch Freiräume für innovative, neue Formen des Lernens, die es zu nutzen gelte, sagt Berg.

„Asylunterkünfte sind soziale Beschleuniger - schlechtestenfalls dienen sie als Brandbeschleuniger, bestenfalls für soziale Innovation“, meint Berg, der die Unterkünfte als „Social Innovation Hubs“ nutzen möchte. „Ganz wichtig ist allerdings, bei allen Bemühungen für Flüchtlinge nicht auf jene zu vergessen, die schon vorher sozial benachteiligt waren.“ Es dürfe keinesfalls zu einer Auseinandersetzung zwischen Unterprivilegierten kommen.

Der Mannheimer Oberbürgermeister ist sich, scheint es, der Problematik bewusst: „Wir wollen, dass uns beides gelingt“, ließ Kurz in der vergangenen Woche verlauten: „Menschen helfen, die vor Krieg und Verfolgung flüchten, und unsere solidarische und offene Stadtgemeinschaft erhalten, die sich dabei nicht überfordert.“