"The Walk"

Ein Moment für die Ewigkeit

© Sony

In seinem Film „The Walk“ über den legendären Seiltänzer Philippe Petit liefert Robert Zemeckis 3D-Effekte, die für Zuschauer mit Höhenangst gefährlich werden könnten.

Von Peter Angerer

Innsbruck –Im Sommer 2001 warf Spiderman in den Trailern zur neuen Superhelden-Serie noch seine Netze zwischen den Zwillingstürmen des World Trade Centers aus, aber dieses computeranimierte Kunststück war im Film nie zu sehen, der „Spiderman“-Kinostart musste nach den Anschlägen vom 11. September um ein Jahr verschoben, das Finale neu gedreht werden. 14 Jahre später lümmelt Philippe Petit (Joseph Gordon-Levitt) auf der Fackel der Freiheitsstatue und erinnert sich bestens gelaunt und mit dem charmanten Akzent des Franzosen an das größte Abenteuer seines Lebens. Im gegenüberliegenden Manhattan-Panorama leuchten die Twin Towers wie Petits Augen.

In der Nacht vom 6. auf den 7. August 1974 spannte er mit seinen „Komplizen“ ein Stahlseil zwischen den beiden Türmen, um am Morgen der Welt mit seinem Spaziergang 415 Meter über der Erde einen Moment der Poesie und der Schönheit zu schenken.

Bereits 2008 drehte der Engländer James Marsh über das verwegene Unternehmen eines eher unangenehmen Zeitgenossen den Dokumentarfilm „Man On Wire“, für den er mit einem Oscar belohnt wurde. Der Hollywood-Veteran Robert Zemeckis, der mit seiner „Zurück in die Zukunft“-Trilogie eben eine Art Doomsday feiern konnte, fügt in seiner Spielfilmversion nur den Erzähler auf der Lady Liberty hinzu und spart dafür bei den biografischen Details des Akrobaten, denn der eigentliche Protagonist in „The Walk“ ist ohnehin Zemeckis’ 3D-Kamera.

Petit erinnert sich an die Vertreibung durch seinen Vater, der keinen Zirkusclown in der Familie duldet. Das erste Kleingeld verdient er auf den Straßen von Paris als Einradfahrer. Gegen diese Konkurrenz hatte die Straßensängerin Annie Allix (Charlotte Le Bon) keine Chance, sie wird dafür zu seiner ersten Komplizin. Zu seinem Meister wird jedoch der tschechische Zirkusartist Rudy (Ben Kingsley), der ihm gegen Entgeld Artistenweisheiten wie Kalenderblätter zuwirft: „Weißt du, warum so viele Hochseil­artisten bei den letzten drei Schritten den Tod finden? Sie glauben sich am Ziel, sind aber noch drei Schritte davon entfernt.“ Solche Hinweise richten sich natürlich an die Zuschauer, die auf Details achten sollen, um im vorgesehenen Moment ins Schwitzen zu geraten.

Nach der Ankunft in New York folgt die Dramaturgie der Methode „Mission: Impossible“. Petit komplettiert sein Team um Annie und die aus Frankreich angereisten Freunde Jean-François (César Domboy), Jean-Louis (Benedict Samuel) und Albert (Ben Schwarz) mit einem Versicherungsmakler und einen Junkie, die über Ortskenntnisse verfügen, da einer der Türme sich noch im Stadium einer hermetisch bewachten Baustelle befindet. Als sich aber die Kamera – nach 90 Minuten – erstmals über das Geländer der Dachkonstruktion hinaustastet, sitzen wir tatsächlich über einem Abgrund, es bleibt keine Zeit, sich über diese Verwegenheit Gedanken zu machen, da Petit zu seiner Balancierstange greift und davonschwebt. 45 Minuten lang hat sich Petit 1974 auf dem Seil aufgehalten, ist jeweils vor den drei letzten Schritten umgekehrt. Zemeckis hat diesen betörenden Spaziergang zu magischen 30 Minuten montiert, die von Lunge, Magen und Herz ihren Tribut verlangen und für das behäbige Vorspiel entschädigen.