Malala - Eine Löwin gegen die Sklaverei
Davis Guggenheims Film „Malala – Ihr Recht auf Bildung“ kämpft für Solidarität.
Innsbruck –Als sich die Wut der Pariser Bevölkerung über Elend und Unterdrückung im Juli 1830 an drei Tagen in einem Aufstand entlud, gab es keinen Anführer. Dieser kollektive Aufschrei inspirierte Eugène Delacroix im gleichen Jahr zu seinem allegorischen Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“. Aus dieser mit entblößter Brust und eine Fahne schwenkenden Heldin wurde mit „Marianne“ später die Symbolfigur der französischen Republik. Mit Malalai gibt es eine ähnliche Figur auch in den afghanischen und pakistanischen Mythen. Als die Paschtunen im 19. Jahrhundert vor der britischen Kolonialmacht die Flucht ergriffen, malte Malalai, unter einem roten Schleier verborgen, einen Schrei in den Himmel, der die Aufständischen zur Umkehr bewegte. Malalai wurde an diesem Tag getötet, doch ihr Motto „Lieber ein Tag ein Löwe sein als 100 Jahre als Sklave leben!“ ist geblieben. Diese Geschichte, die der Lehrer Ziauddin Yousafzai seiner Tochter Malala vor dem Einschlafen erzählte, filmt Davis Guggenheim im Disney-Stil als pastellfarbenen Animationsfilm, der zusätzlich mit einem Streichersatz untermalt wird.
Die Analogie Marianne/Malalai/Malala ist das dramaturgische Konzept von „Malala – Ihr Recht auf Bildung“, das nur im Originaltitel „He Named Me Malala“ deutlich wird. Ohne diesen Namen würde das Mädchen der Tradition entsprechend „mit zwei Kindern in den Armen hier sitzen“, ohne diesen Namen wäre aber auch kein Mordanschlag von den Taliban auf die Kämpferin für die Öffnung des Bildungssystems für Mädchen verübt worden. Der Titel ihrer Autobiografie „Ich bin Malala“ pocht auf Selbstbewusstsein, schließlich wurde das im englischen Exil lebende Mädchen 2014 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.
Guggenheim spürt in seinem Dokumentarfilm auch den Widersprüchen in der öffentlichen Darstellung nach. Es gibt kaum ein Bild, in dem nicht der Vater neben der berühmten Tochter sitzt und so den Verdacht schürt, der Urheber der ausgefeilten Statements zu sein. Andererseits muss er sich von Malala, deren Schädeldecke nach dem Anschlag vom 9. Oktober 2012 durch eine Platinplatte ersetzt wurde und deren linke Gesichtshälfte gelähmt ist, das System Twitter erklären lassen. Malalas Mutter, die erst im Exil den Vollschleier abgelegt hat, ist noch immer Analphabetin, während die Nobelpreisträgerin auf die Frage nach ihrem Lieblingsbuch Stephen Hawkings „Eine kurze Geschichte der Zeit“ aus dem Regal zieht. Viel mehr ist aus Malalas Leben neben ihren offiziellen Missionen nicht zu erfahren. Dafür rügt sie US-Präsident Barack Obama wegen der Drohnenangriffe auf die Zivilbevölkerung und schließlich wird aus Guggenheims Film doch ein anrührendes Delacroix-Gemälde, mit der Aufforderung „aktiv zu werden“. (p. a.)