EU

Slowenien fühlt sich in der Flüchtlingskrise im Stich gelassen

Seit Ungarn seine Grenzen mit Stacheldraht dicht gemacht hat, ist Slowenien der Brennpunkt auf der Balkanroute. Tausende Flüchtlinge kommen ins Land. Nun werden Soldaten an die Grenze geschickt - aber können die überhaupt etwas ausrichten?

Von Thomas Brey, dpa

Ljubljana –Slowenien eilt der Ruf voraus, eine demokratische Insel im Meer der Nachbarn auf der Balkanhalbinsel zu sein. Auch in der Flüchtlingskrise wollte das Land alles anders – und vor allem besser – machen. Der Flüchtlingsstrom sollte verlangsamt und kanalisiert, die Menschen erkennungsdienstlich behandelt und dann nach Österreich transportiert werden. Immerhin besitzt das kleine Alpen-Adria-Land eine Schengen-Außengrenze und ist damit das Tor zum visafreien Reisen in Europa.

Doch es kam alles anders. Während die Regierung die tägliche Kapazitätsgrenze des Landes mit 2500 Flüchtlingen angibt, befanden sich am Mittwoch mindestens 11 000 in Slowenien. Tausende Flüchtlinge hatten in den letzten Tagen die Polizeiabsperrungen umgangen oder gar überrannt. Viele verließen die provisorischen Unterkünfte auf eigene Faust und marschierten einfach los. Oder sie kauften sich, wie etwa in der Kleinstadt Jesenice, Fahrkarten für den Zug nach Kärnten.

Jetzt soll es also das Militär richten. Dabei ist allen klar, dass die 7.000 Soldaten der kleinen Armee an einer 670 Kilometer langen Grenze chancenlos sein werden. „Was soll ich denn mit den Flüchtlingen machen?“, zitiert die kroatische Zeitung Jutarnji list am Mittwoch einen hilflosen Polizisten: „Wenn ich die Kinder sehe, kann ich gar nichts tun. Und die werden als Erste vorgeschickt!“.

Dramatische Hilferufe Richtung Brüssel

Schon seit Tagen schickt die Regierung immer dramatischere Hilferufe in Richtung Brüssel. Die EU-Mitglieder müssten jetzt ihre Solidarität beweisen. Es sei eine Selbsttäuschung, dass ein Zwei-Millionen-Volk diesen Menschenansturm beherrschen könne, wo doch große EU-Partner – gemeint sind Österreich und Deutschland – damit gescheitert seien, klagte Regierungschef Miro Cerar immer wieder.

Cerar verlangt Unterstützung in Form von Geld, vielleicht sogar auch in Form von ausländischen Polizisten an der slowenischen Grenze. Vor allem aber wird ein europäisches Gesamtkonzept zur Beherrschung der Krise angemahnt, nach dem sich auch das kleine Slowenien richten kann. Brüssel bewegt sich nach Tagen dann doch: Der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos will sich an diesem Donnerstag ein Bild vor Ort machen, und am Sonntag soll es ein Spitzentreffen in Brüssel geben.

Enttäuscht ist Slowenien aber auch vom jüngsten EU-Mitglied Kroatien. Ohne irgendwelche Absprachen transportiere der Nachbar Tausende und damit viel zu viele Flüchtlinge einfach an die Grenze zu Slowenien und setze sie dort aus, hieß es. Oftmals antworteten die kroatischen Behörden nicht einmal auf Anfragen aus Ljubljana. Das sei ein „unsolidarisches und unannehmbares Verhalten“ eines EU-Mitglieds, wurde nicht nur einmal kritisiert.

Am Ende blieb die Enttäuschung

Alles in allem: Man wollte sich vorbildlich verhalten, die Flüchtlinge nach und nach registrieren und durchschleusen. Man wollte sich nicht wie der Nachbar Ungarn mit einem Stacheldrahtzaun abschotten. Doch am Ende waren Behörden und Regierung nur enttäuscht, wie sie immer wieder offen durchblicken ließen.