Neues Buch: Wieland Schneiders „Krieg gegen das Kalifat“
Wien (APA) - Ein Schreibtischtäter ist Wieland Schneider gewiss nicht. Der Außenpolitik-Redakteur der Tageszeitung „Die Presse“ hat in den v...
Wien (APA) - Ein Schreibtischtäter ist Wieland Schneider gewiss nicht. Der Außenpolitik-Redakteur der Tageszeitung „Die Presse“ hat in den vergangenen Jahren kein Risiko gescheut, um etwa aus dem Irak vom Kampf der Kurden gegen die Jihadisten des „Islamischen Staates“ IS zu berichten. Seine Erkenntnisse sind nun in Buchform erschienen: „Krieg gegen das Kalifat“, heißt das im Braumüller-Verlag erschienene Werk.
Der Untertitel („Der Westen, die Kurden und die Bedrohung ‚Islamischer Staat‘“) ist dabei ebenso schon Programm wie die Bilder auf der Titelseite des Buches. Sie zeigen die Kämpferinnen der „Volksverteidigungseinheiten“ in voller Montur. In Syriens Kurdengebieten ziehen sie gegen die Jihadisten der Terrormiliz „Islamischer Staat“ zu Felde.
Schneider hat nicht nur die scheinbar furchtlosen Amazonen besucht. Nein, der langjährige Außenpolitik-Journalist schlug sich auch zu den Soldaten der Kurdischen Arbeiterpartei PKK in die unwegsamen Berge Kurdistans durch oder weilte in der von internen Machtkämpfen zerzausten irakischen Hauptstadt Bagdad. Schneider erklärt in dem Buch die Genese des Aufstiegs des „Islamischen Staates“, führte aber auch Gespräche mit Peshmerga-Kämpfern oder PKK-Chef Cemil Bayik.
Besonders augenscheinlich hält Schneider dem Leser vor Augen, das sich der Terror des „IS“ nicht allein an Opferzahlen festmachen lässt. Es ist schon allein der Alltag, der Vielen zur Hölle wird. „Es waren vier zentrale Gesetze, die die neuen Herren über die Stadt Raqqa am 20. Jänner 2014 den Einwohnern vorschrieben“, erzählt der Autor. „Erstens: Frauen müssen sich in lange, bis zum Boden reichende dunkle Gewänder hüllen, ihr Gesicht völlig verbergen und Handschuhe tragen. Zweitens: Musik ist ab sofort verboten und in den Schaufenstern dürfen keine Fotos von Menschen mehr gezeigt werden. Drittens: Der Verkauf und das Rauchen von Zigaretten sowie das Rauchen der traditionellen Shisha sind verboten. Viertens: Zehn Minuten vor Beginn der Gebetszeit müssen alle Geschäfte schließen und alle Männer müssen sich rechtzeitig zum Gebet in der Moschee einfinden.“
Die absolute Brisanz folgt einen Ansatz später: „Die Kämpfer des sogenannten ‚Islamischen Staates im Iran und Sham‘ (ISiS) waren bereit, ohne jede Gnade zu töten, um ihre Vorstellungen durchzusetzen.“ Die Folgen all dieser Konflikte bekommen derzeit weite Teile Europas zu spüren, wie Schneider ganz am Ende seines Buches Bilanz zieht: „Zigtausende Menschen aus Syrien und dem Irak versuchen sich auch deshalb in die EU zu retten, weil sie davon ausgehen, hier etwas zu finden, das sie in ihrem Heimatländern schmerzlich vermissen: Sicherheit, Freiheit und die Wahrung der Menschenwürde.“
Womit die Aktualität dieses Werks bereits umfassend umrissen wäre. Vielleicht ist vor allem für Insider nicht alles völlig neu, aber umfassend und doch konzis sowie präzise zu einem großen Ganzen zusammengesetzt. Mt allen Querverbindungen und Zusammenhängen, die es braucht, um das komplexe Thema auch nur annähernd zu verstehen.
(S E R V I C E - Wieland Schneider: Krieg gegen das Kalifat. Der Westen, die Kurden und die Bedrohung ‚Islamischer Staat“. Braumüller Verlag, Wien 2015. 248 Seiten, 21,90 Euro. ISBN 978-3-99-99100-165-2, www.braumueller.at. Das Buch wird am Donnerstag, 22.10., in Wien vorgestellt.)
(Wiederholung der Besprechung vom 15.10.2015 (APA042). Das Buch wird am heutigen Donnerstag ab 19.00 Uhr in der Buchhandlung Thalia Wien-Mitte, Landstraßer Hauptstraße 2A in 1030 Wien vorgestellt.)