Die unbesiegbaren Gallier
Die Abenteuer von Asterix und Obelix fesseln seit 56 Jahren Jung und Alt, Arm und Reich, Arbeiter und Unternehmer. Nicht einmal die Wissenschaft lassen die unbeugsamen gallischen Dorfbewohner kalt.
Von Gabriele Starck
Innsbruck –Die Vielschichtigkeit der dünnen Bändchen über die sympathischen Radaubrüder aus Gallien ist es, die den Innsbrucker Althistoriker Reinhold Bichler beschäftigte. „Es hat mich fasziniert, dass Albert Uderzo und René Goscinny so viele verschiedene Publikumserwartungen zugleich bedienten“, sagt er: „Archäologiefans machen sich einen Spaß daraus, in den Zeichnungen bauliche Details wie den Septimius-Severus-Bogen im Forum Romanum zu entdecken. Auch wenn dieser erst 200 Jahre nach Cäsar gebaut wurde. Andere wiederum studieren die Karikaturengeschichte, entdecken sogar Grafiken aus dem 19. Jahrhundert wieder.“
Der Mehrheit jedoch dürften die Anlehnungen an die Gegenwart gefallen, meint Bichler. Kriege, ehrgeizige Dorfkapos und korrupte Politiker oder aber Alltagsphänomene wie der Verkehrsstau, wenn sich alle Franzosen zugleich auf den Weg in die Sommerferien machen.
Dass diese Vielschichtigkeit trotz neuer Autoren auch im soeben erschienenen 36. Band nicht verloren gegangen ist, zeigen schon die gestrigen Rezensionen in Süddeutscher Zeitung, FAZ und Co, die in ihrer Ausführlichkeit die Wortanzahl des Comics bei Weitem übertrafen. Aber auf die Zahl der Worte kommt es in der gezeichneten Literatur ja auch nicht an.
Literatur, dazu zählt Asterix in seinem Herkunftsland Frankreich seit jeher. „Dort wie auch in Belgien hatten Comics nie den Beigeschmack von Schund wie früher bei uns“, sagt die Romanistin Eva Lavric von der Uni Innsbruck, in deren Arbeiten Asterix wiederholt Platz fand. Den großen – auch internationalen – Erfolg erklärt sie sich mit dem „David gegen Goliath“-Motiv: Der Kleine führt den Großen vor und die Auflehnung gegen die Mächtigen. „Das ist etwas sehr Französisches, wie auch die Selbstironie“, erklärt Lavric. Dazu komme der Humor – der offensichtliche für die Kinder, der etwas subtilere für die Erwachsenen. Allein die Sprachspiele und die Namensgebung seien grandios. Asterix etwa heiße „Der kleine Stern“ und der Name Obelix beziehe sich natürlich auf den Obelisken, den Hinkelstein. Aber auch die römischen Lager rund ums Dorf der Widerspenstigen haben ihre Bedeutung. Babaorum etwa leitet sich von „Baba au rhum“, einem mit Rum getränkten Kuchen, her. Und Kleinbonum (franz. Petit Bonhomme) bedeute nichts anderes als „kleines Manderl“.
Und so ist es gerade die sprachliche Ebene im Kultcomic, die Innsbrucks Forscher immer wieder beschäftigt. Die Diplomarbeit des Romanisten Werner Marxgut beschäftigte sich beispielsweise mit der Darstellung und Kennzeichnung fremder Sprachen – die Hieroglyphen fürs Ägyptisch in Asterix und Kleopatra etwa oder den auf Englisch verdrehten Satzbau in Asterix bei den Briten.
Und ganz aktuell analysieren der Germanist Konstantin Niehaus und sein Salzburger Kollege Peter Mauser die deutschsprachigen Dialektbände (siehe auch Kasten). Sie wollen herausfinden, wie Dialekte wahrgenommen werden, aber auch die Wirkung der Tatsache untersuchen, dass im Tiroler Band „Groaßes Gschäft“ die Gallier Tirolerisch, die bösen Römer aber Wienerisch reden.
Eva Lavric bedauert derweil noch, ihren Traum nicht mehr verwirklichen zu können: Sie hätte zu gerne einmal Uderzo und den bereits verstorbenen Paul Flora im Rahmen eines Symposiums an einen Tisch gebracht. „Aber vielleicht veranstalte ich ja auch einmal ein großes Wildschwein-Essen auf der Villa Blanka.“