Flüchtlinge - Autorin Erpenbeck warnt vor einem „großen Schlachtfeld“
Wien (APA) - Die Flüchtlingskrise markiert für Jenny Erpenbeck den „Beginn eines sehr langen Kampfes der Gattung Mensch um begrenzte und höc...
Wien (APA) - Die Flüchtlingskrise markiert für Jenny Erpenbeck den „Beginn eines sehr langen Kampfes der Gattung Mensch um begrenzte und höchst ungleich verteilte Ressourcen: Wasser, Bodenschätze, landwirtschaftliche Nutzflächen. Eines Kampfes, an dessen Ausgang möglicherweise eine Weltordnung steht, die nicht mehr auf Profitmaximierung und Wirtschaftswachstum ausgerichtet ist“, so die die Autorin im „profil“.
Im schlimmsten Fall werde es „ein großes Schlachtfeld“ geben, sagt die 48-jährige Deutsche, die in ihrem neuen Roman „Gehen, ging, gegangen“ von der Begegnung einer in Berlin gestrandeten Gruppe afrikanischer Flüchtlinge mit einem emeritierten deutschen Universitätsprofessor erzählt. Die Themen Asyl und Flucht werden die europäischen Gesellschaften noch „vielleicht 100 Jahre“ beschäftigen, meint die Autoin in der morgen, Freitag, erscheinenden Ausgabe des Nachrichtenmagazins, „so lange, bis allen Menschen klar ist, was für ein Privileg es ist, gemeinsam auf einem Planeten leben zu dürfen, der durch ein leeres Universum schwebt. Egal, welche Hautfarbe man hat, welche Sprache man spricht.“
Mit Flüchtlingsgegnern geht sie scharf ins Gericht: „Diejenigen, welche die aktuellen Probleme hinter irgendwelche Zäune aus ihrem Blickfeld schieben wollen, üben Gewalt aus. Und aus Gewalt ergibt sich selten eine friedliche Antwort. Man kann nicht erwarten, dass die Flüchtlinge, die bereits furchtbare Verluste hinter sich haben, freiwillig vor irgendeinem europäischen Zaun verhungern oder erfrieren, nur damit wir hier weiterhin nicht teilen müssen. Sich wegen eines Krieges auf den Weg zu machen, die zerstörte Heimat verlassen zu müssen, ist eine Tragödie, und da wollen wir diese Menschen allen Ernstes in Zäune laufen lassen, die mit dreieckigen Rasierklingen bestückt sind?“
Es sei „interessant“, so die Autorin im „profil“, „dass die Angst gerade als nationales Gefühl präsentiert wird, während die Wirtschaft längst jenseits aller Ländergrenzen agiert, um maximale Gewinne zu machen. Wir alle wissen, dass der Wohlstand unserer demokratischen Gesellschaften - kaum anders als das antike griechische Vorbild - auf der Ausbeutung von Sklaven beruht. Darauf beruht, dass in anderen Teilen der Welt Löhne gezahlt werden, von denen die Leute sich kaum ernähren können. Dass europäische, amerikanische und chinesische Unternehmen anderswo ganze Landstriche aufkaufen, um Bodenschätze auszubeuten - von den Waffengeschäften mit zweifelhaften Regierungen oder Rebellen ganz zu schweigen.“
Es sei gar keine Frage, dass man die Flüchtlingskrise bewältigen müsse, sagt Jenny Erpenbeck. „Für die Flüchtlinge, damit sie überleben, aber auch für uns, wenn wir den Frieden hier aufrechterhalten wollen.“