Kerry und Lawrow im Dialog: Eine Männerfreundschaft in der Eiszeit
Die Außenminister der USA und Russlands treffen sich am Freitag zu Syrien-Gesprächen in Wien. Ein Durchbruch für ein gemeinsames Vorgehen im Bürgerkriegsland ist nicht in Sicht. Aber die regelmäßigen Treffen zwischen Lawrow und Kerry stellen bereits seit einiger Zeit sicher, dass der Umgang zwischen Washington und Moskau trotz massiver Diskrepanzen ein respektvoller bleibt.
Von Friedemann Kohler und Michael Donhauser/dpa
Washington/Moskau - Es herrscht Eiszeit zwischen Moskau und Washington. In Syrien fliegen Kampfflugzeuge beider Nationen in Richtung unterschiedlicher Ziele. Die Rhetorik sowohl im Kreml als auch im Weißen Haus erinnert manchmal an die Zeiten des Kalten Krieges. Was wäre, wenn die Außenminister der beiden Atommächte nicht Sergej Lawrow und John Kerry hießen?
Die beiden Chefdiplomaten sind Männerfreunde. Seit Kerry 2013 sein Amt im State Department antrat, hat er sich ein gutes Dutzend Mal persönlich mit Lawrow getroffen. Jedes Mal gingen die beiden im guten Einvernehmen auseinander, auch wenn die Themen noch so schwierig gewesen sein mögen. Was sie übereinander sagen, klingt bei aller Staatsräson auf beiden Seiten mindestens respektvoll. „John ist mein Freund“, hat der russische Außenminister sogar einmal öffentlich zum Besten gegeben.
Gegenseitiges Verständnis selbst am Höhepunkt der Krise
Selbst als die Eiseskälte auf dem Höhepunkt der Ukraine-Krise hörbar klirrte, war es Lawrow wichtig genug zu erwähnen, von Kerry habe es nie Drohungen in Richtung Russland gegeben. Der US-Amerikaner seinerseits äußerte, dass es sich lohne, Lawrow zuzuhören. Auch Russland habe nachvollziehbare Interessen, etwa in Syrien, sagte er einmal.
Das ist alles eine Weile her, und die Lage hat sich erneut angespannt. Wenn Lawrow und Kerry am Freitag in Wien erneut aufeinandertreffen, stehen den wohl noch immer vorhandenen Sympathien der beiden Männer glasklare Interessen ihrer Regierungen entgegen. Die USA wollen in Syrien nicht nur den „Islamischen Staat“ (IS) besiegen, sondern auch Machthaber Bashar al-Assad ablösen.
Spaltpilz Assad
„Wir wollen eine politische Transformation, und Assad kann nicht Bestandteil dessen sein“, sagte Kerrys Sprecher Mark Toner am Donnerstag. Auf Assad im Kampf gegen den IS zu bauen, kommt für Washington nicht infrage: „Er ist nicht vertrauenswürdig“, betont Toner.
Russland will vom langjährigen Nahost-Gewährsmann Assad, einem der letzten Verbündeten Wladimir Putins, dagegen nicht lassen. „Das würde bedeuten, dass der Präsident einen Rückzieher macht und eingesteht, über all die Jahre einen schwachen Politiker unterstützt zu haben“, sagte der russische Experte Georgi Mirski in der Nesawissimaja Gaseta.
Russland vom Stör- zum Machtfaktor im Nahen Osten
Für Russland ist das Zustandekommen des Außenministertreffens bereits ein Sieg: Wegen des russischen Syrien-Einsatzes müssen die USA wieder mit Moskau reden. Die schweren Luftangriffe haben Russland binnen weniger Wochen von einem Stör- zu einem Machtfaktor im Nahen Osten befördert. Der Überraschungscoup, Assad zu einem Gespräch nach Moskau zu holen, hat die russische Position weiter gestärkt. Im Weißen Haus wurde dazu verschnupft vermerkt, Putin habe dem Despoten von Damaskus „den roten Teppich ausgerollt“.
Neben dem russischen Militäreinsatz gerät außer Blick, dass Moskau seit Monaten versucht, sein Eingreifen auch diplomatisch abzufedern. Mit fast allen Staaten im Nahen Osten, den Unterstützern dieser oder jener Kraft in Syrien, hat Russland gesprochen. Auch nach dem Assad-Besuch vom Dienstag informierte Moskau dessen entschlossenste Gegner, die Türkei und Saudi-Arabien. Die Luftangriffe seien nur als Vorbereitung für eine politische Lösung zu sehen, beteuerte Putin jüngst.
Lawrow: Keine Syrien-Lösung ohne Iran
In Wien hätte Lawrow auch Teheran gerne am Tisch gehabt. Alle Versuche seien zwecklos, „ohne den Iran einen ‚äußeren Kreis‘ von Unterstützern einer syrischen Lösung zu schaffen“, sagte er am Donnerstag. Zu den Aussichten für Wien äußerte sich Lawrow schmallippig. „Wahrheit, Ehrlichkeit und Anstand“ erwarte Russland von den anderen Teilnehmern - mehr sagte er nicht.
Immerhin ist ein Treffen der Außenminister die erfolgversprechendste Ebene in den ansonsten schwierigen amerikanisch-russischen Beziehungen. 2013 hatte es in Genf schon einmal geklappt. Damals einigten sich Lawrow und Kerry auf die Vernichtung syrischer Chemiewaffen. Wien sei als Fortsetzung bisheriger Treffen zum Thema Syrien anzusehen, heißt es aus Kerrys Delegation. Es werde vermutlich nicht das letzte sein.