53. Viennale - Hauzenberger 2: Wollen ein solidarisches Europa

Wien (APA) - APA: Nach dem Umzug der Asylsuchenden von der Votivkirche ins Servitenkloster kam es zu den ersten Abschiebungen und Festnahmen...

Wien (APA) - APA: Nach dem Umzug der Asylsuchenden von der Votivkirche ins Servitenkloster kam es zu den ersten Abschiebungen und Festnahmen wegen des Verdachts der Schlepperei. Teilen Sie den Eindruck der Protagonisten, dass hier ein Exempel statuiert werden sollte?

Gerald Igor Hauzenberger: Es gibt bestimmte Bilder, die mag man nicht in einer Demokratie. Man mag keine Kirche, die besetzt wird und in der Menschen sterben. Es gibt gewisse Bilder, die zeigen, dass eine diplomatische Lösung nicht mehr erreicht werden kann. Deshalb wollte man beim Innenministerium ein Zeichen setzen. Neben einem liberalen Flügel gab es einen restriktiven Flügel, der mitverantwortlich war, dass es plötzlich hieß, Schlepper hätten Millionen verdient. Da hat man sich dann Männer aus dem Servitenkloster geholt, die kleine Delikte begangen haben. Da sind systemische Mechanismen eingerastet und irgendwer hat gesagt: „Wir müssen unser Gesicht wahren, wir können denen nicht allen Asyl geben, wir müssen auch welche abschieben.“ Letztendlich ist bei der Überprüfung ja herausgekommen, dass viel mehr Asyl bekommen haben. Die pakistanische Anerkennungsquote ist in der Kirche von 1 auf 30 Prozent gestiegen.

APA: Haben Sie den Kontakt mit den Männern seitdem aufrechterhalten?

Hauzenberger: Ich bin mit allen sechs Protagonisten in sehr gutem Kontakt, wir treffen uns, reden über ihre Situationen. Fünf von ihnen sind mittlerweile verheiratet. Einer von ihnen hat trotz Liebeshochzeit einen negativen Bescheid erhalten. Maximal ein Drittel der Männer haben positive Bescheide bekommen. Viele sind noch in einem laufenden Asylverfahren, sie erzählen mir, wie die Situation ist und wir versuchen, gemeinsam Geld für Anwälte aufzustellen.

APA: Der Verein Ute Bock kritisierte unlängst, dass auf die bereits hier lebenden Asylwerber inmitten der Zuspitzung der Flüchtlingskrise vergessen würde. Teilen Sie diesen Eindruck?

Hauzenberger: Das ist ein riesengroßes Problem, das sehe ich auch bei den sechs Protagonisten: Sie wollen sehnsüchtig arbeiten, zwei tragen Zeitungen aus, das ist eine halb legale Geschichte, nur einer hat einen richtigen Job. Für sie ist die Mindestsicherung schlimm, weil das schwer mit ihrem Stolz vereinbar ist. Man muss ihnen helfen und sie irgendwie unterbringen. Sie sind in ein Land gekommen und haben geglaubt, sie erhalten Asyl und Arbeit, und dann hängen sie komplett in der Luft. Ich hoffe auch, dass sie irgendwann die Möglichkeit haben, ihre Familien zu holen, was teuer ist. Tag und Nacht würden sie arbeiten, um das Geld aufzutreiben, sie dürfen aber nicht.

APA: Am Anfang Ihres Films stehen die untragbaren Zustände in Traiskirchen 2012 bei einer Überbelegung mit 1.500 Menschen, am Ende - im Sommer 2015 - sind es über 4.000. Kam das erhöhte Flüchtlingsaufkommen in diesem Sommer für Sie überraschend?

Hauzenberger: Es war nicht überraschend, selbst das Innenministerium hat schon im Oktober letzten Jahres gesagt, dass wir mit größeren Flüchtlings- und Asylwerberzahlen zu rechnen haben. Und trotz Vorbereitung hat sich nichts getan. Man hätte schon im Jänner proaktiv statt nachher reaktiv arbeiten müssen. Die Unterstützung war einfach nicht da, und die Streitigkeit zwischen dem Bund und den Ländern bis hin zu den Bürgermeistern fatal. Jeder konnte nachlesen, was ungefähr passieren wird - dass es dann 80.000 werden, wusste man nicht. Andreas Babler (SPÖ-Bürgermeister in Traiskirchen, Anm.) nennt es die Schande, ich nenne es eine große Vernachlässigung, dass man das nicht ernst genommen hat.

APA: Können Sie sich vor diesem Hintergrund vorstellen, weitere Projekte zu Flüchtlingsthemen anzuschließen?

Hauzenberger: Jetzt bin ich erst mal komplett erschöpft. Man kann bei einem Film über Flüchtlinge nie alles richtig machen und sehr leicht alles falsch machen. Es gibt extrem viele Interessensgruppierungen, die auch versucht haben, sich in den Film einzumischen, zu sagen, wie der Film zu machen ist, oder dass ich ihn als weißer Mann gar nicht machen soll. Es war so eine geladene Stresssituation - nicht die Arbeit mit den Flüchtlingen, sondern das ganze Umfeld -, dass ich es mir nicht mehr erlauben könnte, weil ich dann psychisch Schaden davon trage. Es war das anstrengendste Projekt in meinem ganzen Leben, dagegen war „Der Prozess“ und die Auseinandersetzung mit der Polizei ein Lercherlschas, wie man auf gut österreichisch sagt.

APA: Was hat Sie dennoch angetrieben, ein derartiges Projekt in Angriff zu nehmen?

Hauzenberger: Mich reizen natürlich Konflikte, systemische Prozesse, in denen Unrecht spürbar ist. Ich bin ein politischer Mensch, mich interessiert mein Umfeld. Ich will in einem Europa leben, in dem es auch in zehn Jahren noch das Recht auf Asyl gibt. Da werden jetzt entscheidende Weichenstellen in Europa gemacht. Es geht um das Zusammenleben und darum, dass wir ein solidarisches Europa wollen und keines der Konzerne. Das wird uns alle noch lange beschäftigen.

(Das Gespräch führte Angelika Prawda/APA)

(S E R V I C E - www.viennale.at)