91.000 statt 450.000 Kilometer auf dem Tacho
Zu einem interessanten Einblick kam es gestern am Landesgericht in die Szene kleiner Gebrauchtwagenhändler. Thema des Prozesses rund um Verl...
Zu einem interessanten Einblick kam es gestern am Landesgericht in die Szene kleiner Gebrauchtwagenhändler. Thema des Prozesses rund um Verleumdung und falsche Beweisaussage: ein schöner BMW mit Schönheitsfehler. So hatte der Wagen nämlich nicht die 91.000 Kilometer auf dem Tacho, sondern 450.000 Kilometer abgespult. Angekauft wurde das sieben Jahre alte Prachtstück für 28.000 Euro in Berlin von euphorischen Jungunternehmern (23, 25), die offenbar weder Ahnung von Autos noch von Geld hatten. Ein Händler vor Ort habe ihnen die Echtheit der Kilometer noch bestätigt, zu Hause im Unterland hätten Händlerkollegen aber nur gelacht, da man den Jungspornen hier – für Fachleute offensichtlich – „ein Auto mit einer halben Million Kilometer angedreht“ hatte, wie ein Händler als Zeuge vor Richter Günther Böhler aussagte. „Mir wurde dasselbe Auto mit 500.000 Kilometern auch über Internet angeboten. Da es keine Sitzheizung hat, stammt es wohl aus Italien.“ Auch ein heimischer BMW-Händler brauchte nur den Unterboden anzusehen, um mehr als 91.000 Kilometer Laufleistung zu erahnen. Ein Blick in den Computer offenbarte dann die ganze Wahrheit: letztes Service bei 435.000 Kilometern. Noch bevor der Kilometerriese jedoch vom Schotterplatz in Kundenhand rollen konnte, trennten sich die beiden Jungunternehmer im Unfrieden. Zuvor hatte der 23-Jährige den BMW jedoch noch aus der Firma gekauft, um dem Partner die Finanzierung weiterer Autoankäufe zu ermöglichen. Ein Schritt, den er wahrscheinlich später bereute. Und so klagte er im Jänner nicht nur den Kaufpreis zurück, sondern stellte sich bei Gericht auch als Betrugsopfer seines Partners dar. Weder sei er damals beim Kauf dabei gewesen, noch habe er je über den wahren Kilometerstand Bescheid gewusst. Erwiesenermaßen Falschaussagen. Ein Händler: „Wir haben den doch sogar über Monate mit seiner fahrenden halben Million gehänselt!“ Weniger lustig war dafür die bereits rechtskräftige Strafe. Bei einem Strafrahmen von bis zu fünf Jahren verhängte Richter Böhler fünf Monate bedingte Haft und 1800 Euro Geldstrafe.
Um ein wesentlich ernsthafteres Thema ging es vor Zivilrichter Hannes Neurauter. Dort brachte innerhalb weniger Wochen nun eine weitere Insassin des Schwazer Erziehungsheimes St. Martin Klage gegen das Land ein. Die 72-Jährige forderte 230.000 Euro, da sie in den Jahren 1959 bis 1962 im Heim misshandelt, missbraucht und vergewaltigt worden sei. Auch eine Schulbildung sei ihr nicht vermittelt worden. Anstatt wie gewünscht Dolmetscherin zu werden, habe es die Frau aufgrund ihrer Traumatisierungen nie mehr geschafft, auch nur eine Berufsausbildung abzuschließen. Ganz im Gegenteil: Völlig perspektivenlos war die Frau sogar über Jahre in die Prostitution geschlittert. Auch das Beziehungsleben der Frau gleicht im Rückblick einem Trümmerhaufen. Das Land Tirol wandte über Anwalt Roland Testor ein, dass das Heim in die Privatwirtschaftsverwaltung falle und somit kein Amtshaftungsanspruch bestehe. Auch stellte Testor in Frage, dass aufgrund der desaströsen familiären Verhältnisse der Frau in ihrer Jugend der spätere Werdegang ursächlich mit dem Heimaufenthalt zusammenhängt. Jetzt wird noch ein psychiatrisches Gutachten erstellt. So kamen im Verfahren Zweifel an der Geschäftsfähigkeit der 72-Jährigen auf. Hatte sie doch letztes Jahr eine Pauschalabgeltung des Landes über 3000 Euro angenommen und damit weitere Forderungen per Unterschrift ausgeschlossen. Die Tragweite dieses Akts dürfte die Rentnerin nicht verstanden haben. (fell)