Russland-Embargo - Mozzarella und Ricotta aus der eigenen Küche
Moskau (APA/AFP) - Mozzarella und Ricotta aus Italien, Camembert aus Frankreich, Feta aus Griechenland - mit solchen Leckereien ist es in Ru...
Moskau (APA/AFP) - Mozzarella und Ricotta aus Italien, Camembert aus Frankreich, Feta aus Griechenland - mit solchen Leckereien ist es in Russland schon seit Monaten vorbei. Käse aus dem EU-Ausland gibt es nicht mehr im Supermarkt, seit Präsident Wladimir Putin vor mehr als einem Jahr die Einfuhr westlicher Lebensmittel verbot, als Reaktion auf die Sanktionen des Westens im Ukraine-Konflikt.
Und der russische Käse schmeckt einfach nicht: Vier von fünf angebotenen Sorten enthalten Pflanzenöl, wie jüngst selbst die russische Verbraucherschutzbehörde rügte. Also machen immer mehr Russen selbst ihren Käse.
„In nur einer Stunde mache ich ganz einfach einen Käse, der frischer und besser ist als der, den ich vor den Sanktionen gekauft habe“, sagt die 25-jährige Tatjana Korschunowa. Hoch oben im 20. Stock eines Wohnhauses in Moskau rührt sie mit dem Schaumlöffel in der erhitzten Milch. Ihr Mann Andrej, Finanzberater in einer Moskauer Bank, sagt, dass mehrere seiner Kollegen schon ihren eigenen Käse fabrizieren.
Vor allem in den großen Städten wie Moskau und St. Petersburg vermissen viele den Käse aus dem Ausland. Sie kamen nach dem Fall des Eisernen Vorhangs 1991 und mit der Öffnung nach Westen auf den Geschmack und hatten auch das Geld, sich die importierten Waren zu leisten. Fast 500.000 Tonnen Käse importierte Russland vor Verhängung der Sanktionen aus dem europäischen Ausland.
Aber auch in Orten wie Nischni-Nowgorod, Kasan, Samara oder Rostow am Don vermissen viele den Biss in ein würziges Stück Käse. Auch von dort bekommt Valeria Opanasjuk Bestellungen für ihre „Cheese Box“. Seit Januar bietet die 25-Jährige ihre Sets zum Käse-Selbermachen übers Internet an. Monat für Monat sind die Verkaufszahlen um 25 Prozent gestiegen, erzählt sie begeistert. In einer „Cheese Box“ steckt alles, was zur Zubereitung nötig ist: Siebe, Thermometer, Dosierlöffel und natürlich die Rezepte.
„Ich hätte nicht gedacht, dass das so ein Erfolg wird“, sagt Valeria - ihr selbst und ihrem Verlobten, einem Informatiker, gelang der erste Käse in der eigenen Küche nämlich nicht sehr gut. Doch sie ist überzeugt: „In wenigen Wochen können Anfänger sogar einen Camembert zaubern.“ Die Herstellung von Ziegenfrischkäse oder Ricotta sei „so leicht wie das Einlegen von Gurken“.
Nicht nur die „Cheese Box“ erfreut sich reger Nachfrage, auch die Konkurrenz Syrodelie.ru - auf Deutsch: Käseproduktion - macht blendende Geschäfte mit dem Verkauf von Gerätschaften für die heimische Herstellung. Binnen eines Jahres verfünffachte sich der Umsatz, jeden Monat kommen rund tausend neue Kunden hinzu. Sie zahlen gesalzene Preise: Ein Set kostet je nach Käsesorte 2300 bis 3400 Rubel (33 bis 49 Euro), bei der „Cheese Box“ sind es 2500 Rubel.
Auch Käse-Kurse boomen. Bei Julia Lyssikowa etwa sind die zweitägigen Seminare namens „Syr doma“ (Hausgemachter Käse) immer ausgebucht. Bei ihr lernen die Anfänger nicht nur, wie aus Milch Frischkäse wird - sondern auch den Sainte-Maure de Touraine, einen französischen Weichkäse aus Ziegenmilch. Es gibt schon mehrere Gruppen von Enthusiasten, die mehr wollen: Sie planen die Herstellung von Camembert und Reblochon, von Cheddar und Feta, von Parmesan und Blauschimmelkäse.
„Die Käseliebhaber in Russland haben es kapiert“, sagte Lyssikowa. „Sie können sich nur auf sich selbst verlassen.“