„Welcome to Astoria“ oder das Scheitern einer Staatsgründung in Linz
Linz (APA) - Das Experiment glückte nicht. Nein, nicht die viel beklatschte Uraufführung der Rap- und Live-Comic-Performance „Welcome to Ast...
Linz (APA) - Das Experiment glückte nicht. Nein, nicht die viel beklatschte Uraufführung der Rap- und Live-Comic-Performance „Welcome to Astoria“ auf der Experimentierbühne BlackBox im Linzer Musiktheater. Sondern die „Abschaffung der Geografie, mit Lineal gezogene Kartografie“, die die Linzer Hip-Hopper Texta als Voraussetzung zur Gründung eines idealen Staates im Wordrap Freitagabend proklamierten.
Ausgangspunkt der Linzer Inszenierung ist das Bühnenstück „Astoria“ von Jura Soyfer. Der 1939 im KZ Buchenwald gestorbene Autor geht darin der Frage nach, wie ein idealer Staat aussehen müsste. Der Landstreicher Hupka erfindet für eine amerikanische Gräfin, die auf der Suche nach einem besonderen Geschenk für ihren Mann ist, Astoria. Der Staat hat zwar kein Land, aber kennt auch keine Probleme wie Arbeitslosigkeit oder Kriminalität. So ist alles besser als im Sein, im Schein fließen Honig und Milch.
Regisseur Dominik Günther hat den Inhalt „textlich, zeichnerisch und musikalisch übermalt“, wie er selber sagt. Damit ist Soyfers Stück aus dem Jahr 1935 im Heute angekommen. Schnell ist man da bei Themen wie Grenzzäunen oder Einreisebestimmungen für den neuen Staat angelangt. Schlaglichtartig werfen die Schauspieler ihre Gedanken zu ihrer Utopie den Zuschauerraum. Wenn sie die Linie zwischen Fiktion und Realität überschreiten, erscheint diese auch schon am Boden. Zeichner Lukasz Aleksander Glowacki aka Mamut setzt die Worte von seinem Podest aus blitzschnell in Comic-Bilder um, die direkt auf die Bühnenleinwand projiziert werden. Er kommentiert das Geschehen auf der gleißend weißen Bühne, die ihre Bildnerin Sandra Fox als weißes Blatt sieht. Unbeschrieben, wie der Staat Astoria zur Stunde Null. Das Publikum wird Gast der Gründungsparty, auf der Texta die Unterhaltungsband gibt.
Bereits zum zweiten Mal arbeiten die Hip-Hopper nach „Max‘n Morizz“, einer modernen Version der Lausbubengeschichten Wilhelm Buschs, mit dem Musiktheater zusammen. Diesmal sind die Vier auch Bestandteil des Stücks. Wenn Mamut mit gekonnter Hand das Fortschreiten der Staatsgründung nachzieht, dann begleiten es die Rapper lautmalerisch. Dass sie das Spiel mit Worten beherrscht, zeigt die seit 20 Jahren bestehende Formation einmal mehr. Für die Gäste der Gründungsparty haben sie das Sprechtempo allerdings um eine Stufe gedrosselt, wie sie sagen. So verhallt „Was heißt Nation? Kann es sein, es ist nur eine falsche Projektion, ein Denkmodell veraltet im imperialen Rom, reine Fiktion wie beamen oder menschliche Kiemen“ nicht unverstanden.
Immer wieder verzahnen sich auch Ton und Bild ineinander. Singt Texta die neue Nationalhymne, wächst hinter den Hip-Hoppern mit wenigen schwarzen Strichen dass Staatswappen in die Höhe. Die Schauspieler stehen mit erhobener rechter Hand, fordern vom Publikum das Gleiche: Welcome to Astoria. Doch die Gedankenfetzen für den neuen Staat werden keine Puzzleteile, die sich zu einem Ganzen fügen. Das fragile Gebilde gerät aus den Fugen. Ein Staat ohne Territorium? Eine Utopie. Und ohne Handy! Damit wird klar, das Experiment ist gescheitert, zumal die Gäste vor Beginn der Vorstellung ihre Mobiltelefone abgeben mussten.
(S E R V I C E - Dominik Günther, Franz Huber: „Welcome to Astoria Feat Texta & Mamut“, Musik: Texta, Live-Comic: Lukasz Aleksander Glowacki, Bühne und Kostüme: Sandra Fox. Mit Aurel von Arx - Hupka, Björn Büchner - Pistoletti, Eva-Maria Aichner - Gräfin Gwendoylin, Sven-Christian Habich - Graf Luitpold, Barbara Novotny - Anastasia, Erich Josef Langwiesner - Lichtkassier/Security, Michaela Schausberger - Rosa.; Musiktheater Linz, Am Volksgarten 1, Weitere Aufführungen am 27., 29. Oktober, am 5., 7., 13., 21., 27. November und am 30. Dezember, Infos unter www.landestheater-linz.at)