Flüchtlinge - Schäuble: Stimmung in Partei „dramatisch“ schlecht

Berlin (APA/AFP) - In der CDU mehren sich die Anzeichen für wachsende Nervosität angesichts der Flüchtlingspolitik der deutschen Regierung. ...

Berlin (APA/AFP) - In der CDU mehren sich die Anzeichen für wachsende Nervosität angesichts der Flüchtlingspolitik der deutschen Regierung. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) habe in einer internen Sitzung darauf hingewiesen, dass die Stimmung der Parteimitglieder „dramatisch“ schlecht sei und der Rückhalt für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Frage stehe, berichtete der „Spiegel“ am Samstag.

Merkel drängte unterdessen auf eine rasche Integration der Neuankömmlinge: Fehler aus früheren Zeiten müssten vermieden werden. Schäuble hatte nach „Spiegel“-Informationen in der jüngsten Sitzung des CDU-Präsidiums davor gewarnt, dass das Verhältnis der Parteibasis zur Führung dauerhaft Schaden nehme. Diese Gefahr sehe er für den Fall, dass die Verschärfung der Asylgesetzgebung nicht bald Wirkung zeige. Den insbesondere von CDU-Generalsekretär Peter Tauber geschilderten großen Rückhalt in der Partei für Merkels Kurs sehe er nicht, habe Schäuble gesagt.

Druck bekam die Kanzlerin auch von der CSU zu spüren. Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) mahnte Merkel, sich die rigorosere CSU-Flüchtlingspolitik zum Vorbild zu nehmen. „Das, was die CSU sagt und wie sie handelt, ist an der CDU-Basis mehrheitsfähig“, sagte er der „Bild“ vom Samstag. Die Flüchtlingskrise könnte zur Existenzfrage für die Union werden: „Das Thema ist von fundamentaler Bedeutung für die Zukunft und den Bestand der Union.“

Merkel äußerte sich am Wochenende zunächst nicht zu der unionsinternen Debatte. Ihren wöchentlichen Video-Podcast nutze sie dazu, vor Versäumnissen bei der Integration in der Vergangenheit zu warnen. „Wir haben aus der Zeit der Gastarbeiter Anfang der 60er-Jahre gelernt“, sagte Merkel. Damals sei es falsch gewesen davon auszugehen, dass die meisten Zugewanderten das Land wieder verlassen würden.

Den Flüchtlingen mit Bleibeperspektive müsse heute eine rasche Job-Perspektive eröffnet werden - mit Sprachkursen, Integrationsangeboten, Aus- und Fortbildungskursen. „Aber es wird natürlich auch einen Teil geben, der nicht so eine gute Ausbildung hat, und hier müssen wir insbesondere bei jungen Menschen schauen, dass wir sie trotzdem schnell in Arbeit bekommen“, sagte Merkel.

Dieses Ziel erfordert nach Einschätzung von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) eine große Kraftanstrengung. Sie erwarte, dass die Arbeitslosenzahlen 2016 steigen, da dann die Flüchtlinge Bleiberecht erhalten und sich arbeitssuchend melden, sagte Nahles der „Passauer Neuen Presse“. Schätzungen zufolge könnten im kommenden Jahr bis zu 460.000 Flüchtlinge zusätzlich Hartz IV (Sozialhilfe) beantragen. Nahles warnte, dass viel Zeit vergehen werde, bis die Flüchtlinge die deutsche Sprache so beherrschen, dass sie auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen können: „Wir kriegen das hin, aber nicht über Nacht.“

Am Samstag trat eine Reihe von Verschärfungen im Asylrecht in Kraft. Der Verzicht auf Vorankündigungen von Abschiebungen soll verhindern, dass die abgelehnten Asylbewerber untertauchen. Asylbewerber sollen zudem mehr Sach- als Geldleistungen bekommen.

Nordrhein-Westfalen-Innenminister Ralf Jäger (SPD) mahnte zu Augenmaß bei der Anwendung der neuen Regeln. Zwar werde sein Bundesland von der Möglichkeit Gebrauch machen, abgelehnte Asylbewerber unangekündigt abzuschieben, sagte Jäger im Deutschlandfunk. „Was wir in Nordrhein-Westfalen nicht tun werden, ist in den frühen Morgenstunden plötzlich bei irgendeiner Familie aufzutauchen, die Kinder aus dem Bett zu zerren und dann eine Abschiebung durchzuführen.“