Zypern-Konflikt - Einigung in nächsten Monaten angestrebt

Nikosia/Lefkosa (APA) - Die EU sucht in der Flüchtlingskrise die Nähe zur Türkei. Die Republik Zypern sperrt sich jedoch gegen neue EU-Beitr...

Nikosia/Lefkosa (APA) - Die EU sucht in der Flüchtlingskrise die Nähe zur Türkei. Die Republik Zypern sperrt sich jedoch gegen neue EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara. Der Zypern-Konflikt und seine Lösungsversuche rücken damit wieder in die internationale Aufmerksamkeit. Auch Bundespräsident Heinz Fischer wird Anfang November in die Republik Zypern reisen.

Andreas Mavroyiannis, griechisch-zypriotischer Chefverhandler im Zypern-Konflikt, sieht im APA-Gespräch in Nikosia eine Lösung im Zypern-Konflikt zum Greifen nahe: „Wir haben die bestmöglichen Bedingungen, die Umstände sind besser denn je. Es (eine Vereinbarung, Anm.) ist eine Angelegenheit von Monaten nicht Jahren.“ Die nächsten „drei, sechs, neun Monate“ würden zeigen, ob eine Einigung möglich ist, danach gebe es noch Zeit die Details zu klären. „Es gibt keinen Zeitrahmen - es gibt keine Alternative.“ Eine Einigung sei eine Angelegenheit von Monaten, nicht Jahren.

Ömer Soyer Kalyoncu, Premier der nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ (TRNZ), hofft gegenüber der APA an seinem Amtssitz in Nikosia (türk. Lefkosa) auf einen positiven Verhandlungsabschluss bis Mai 2016, wenn in der Republik Zypern Parlamentswahlen stattfinden. „Es gibt keinen Grund, dass dieser nicht bis dahin passieren soll.“ Der Frage ob er persönlich optimistisch ist, weicht Kalyoncu aber aus: „Wir arbeiten hart.“

Der Ex-Präsident der „Türkischen Republik Nordzypern“ und Vorsitzende der Cumhuriyetci Türk Partisi, Mehmet Ali Talat, hofft ebenfalls auf eine Verhandlungseinigung im Zypern-Konflikt bis Mai 2016. „Wenn wir dieses Datum verpassen, dann müssen wir uns erst von einer tendenziell nationalistischen Wahlkampagne erholen“, meint Talat gegenüber der APA an seinem Parteisitz. „Ich bin optimistisch. (...) Es gibt einen geringfügigen Fortschritt, aber noch nicht umgesetzt.“

Bis spätestens Mai 2016, Talat plädiert für März 2016, solle es daher auch eine internationale Konferenz der Garantiemächte Griechenland, Türkei und der Ex-Kolonialmacht Großbritannien geben. Die Türkei sei jedoch in die aktuell laufenden Konflikt-Lösungsgespräche der Volksgruppen „nur indirekt involviert“.

Polly Ioannou, Büroleiterin des griechisch-zypriotischen Verhandlungsführers Mavroyiannis, spricht vom verbesserten Klima unter den Volksgruppenführern. Sicherheit, Eigentum und Staatsgebiet seien die komplexesten Verhandlungspunkte. Diese sind aber erst für die Abschlussphase der Verhandlungen vorgesehen, um die Gespräche nicht schon in ihrer Anfangsphase zu hemmen.

Tatsächlich fallen im Gespräch mit Repräsentanten und Bewohnern der Insel immer wieder diese Punkte. Seit es kurz nach der Erlangung der Unabhängigkeit im Jahre 1960 bereits zu gewaltsamen Zusammenstößen unter griechischen und türkischen Zyprioten gekommen war, sorgen sich die Bewohner um ihre Sicherheit. Einzelne Stimmen auf Zypern behaupten, die Ex-Kolonialmacht Großbritannien hätte bewusst Zwietracht unter den Volksgruppen gesät, um ihre Position zu stärken - ein großes Gebiet mit zwei strategisch wichtigen Militärstützpunkten auf der Insel blieb britisches Territorium. Die britischen Militärbasen werden in den Konflikt-Lösungsgesprächen nicht thematisiert.

Die Gespräche zwischen Zypern-Griechen und Zypern-Türken waren im September 2014 wegen eines Streits um Gasvorkommen unter dem Meeresboden südlich der Mittelmeerinsel unterbrochen worden. Mitte Mai wurden sie unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen wieder aufgenommen.

„Die internationale Gemeinschaft sollte mehr Aufmerksamkeit (auf den Konflikt, Anm.) für eine viel längere Zeit legen“, meint TRNZ-“Premier“ Kalyoncu. Die Konflikte in Nahost würden Gas und Öl in der Region billiger machen.

Sollte es wie beim „Annan-Plan“ zur Wiedervereinigung 2004, als die griechischen Zyprioten den nach dem früheren UNO-Generalsekretär Kofi Annan benannten Plan mehrheitlich ablehnten, bei einem möglichen Referendum wieder zu einem „Nein“ der griechischen Zyprioten kommen, und die internationale Gemeinschaft den Konflikt „weiter ignorieren“, dann würden türkische Zyprioten die eine Lösung unterstützen, ihre Hoffnung verlieren, sagt Kalyoncu. „Die EU würde all ihre Glaubwürdigkeit in der Region verlieren.“

Generell stünden türkische Zyprioten der EU und dem Euro positiv gegenüber und wollten ein Teil der Gemeinschaft werden - jedoch natürlich nicht um jeden Preis, heißt es. Prinzipiell seien sie daran interessiert der internationalen Isolation zu entkommen und anerkannt zu werden.

Sollte es bei den Gesprächen der Volksgruppen zu einer Einigung kommen, müssten die Inselbewohner beider Volksgruppen in einem Referendum über den Lösungsplan abstimmen.

Andreas Bimbishis, politischer Redakteur der Zeitung Phileleftheros, geht gegenüber der APA in Nikosia davon aus, dass ein kleiner Prozentsatz der griechischen Zyprioten prinzipiell eine Wiedervereinigung ablehnt, ein anderer dieser prinzipiell zustimmt. Die Mehrheit der Bevölkerung erwarte sich für ihre Zustimmung Sicherheitsgarantien. Ein Unsicherheitsgefühl, „das ist die Hauptangst“.

Die Mittelmeerinsel Zypern ist seit 1974 nach einem griechischen Putsch und einer türkischen Militärintervention geteilt; die „Türkische Republik Nordzypern“ wurde 1983 ausgerufen, wird aber nur von Ankara anerkannt. Die Republik Zypern ist seit 2004 EU-Mitglied. Das EU-Recht gilt de facto aber nur im griechisch-zypriotischen Süden, obwohl es de iure auch den türkisch kontrollierten Norden umfasst.

(Entstanden im Rahmen des Projekts „eurotours“ des Bundespressedienstes. Flug und Unterkunft wurden aus Mitteln des Kanzleramts finanziert.)