Zypern-Konflikt - Die größten Hürden auf dem Weg zur Einigung
Nikosia/Lefkosa (APA) - In den Verhandlungen zur Lösung des Zypern-Konflikts ist in den vergangenen Monaten Hoffnung aufgekommen. Das Gesprä...
Nikosia/Lefkosa (APA) - In den Verhandlungen zur Lösung des Zypern-Konflikts ist in den vergangenen Monaten Hoffnung aufgekommen. Das Gesprächsklima der Volksgruppen-Präsidenten und der Verhandlungsführer gilt als gut. Zwar gab es laut Insidern noch keinen entscheidendenden „Durchbruch“, jedoch stimmt man einigen früher ausgehandelten Verhandlungspunkten wieder zu. Zentrale Konfliktpunkte im Überblick:
MACHTAUFTEILUNG
Mitte Februar 2014 war nach eineinhalbjährigem Stillstand Bewegung in die Verhandlungen gekommen. Die beiden Seiten vereinbarten, an einem neuen System zur Bildung einer Föderation zu arbeiten. Ziel ist die Schaffung unabhängiger Verwaltungen in beiden Landesteilen, aber einer gemeinsamen Außenvertretung.
Auf diese Einigung einer Föderation zweier Bundesländer mit politisch gleichberechtigten Volksgruppen haben sich die aktuellen Präsidenten nun wieder berufen. Sie hätten eine „gemeinsame Vision“ für ein wiedervereinigtes föderatives Zypern, hieß es.
Seit April 2015 amtiert Mustafa Akinci als Präsident der nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ (TRNZ). Der liberale Politiker gilt als Hoffnungsträger für eine Vereinigung, sein Verhältnis zum Staatspräsident der Republik Zypern, Nikos Anastasiades, ist positiv besetzt.
SICHERHEIT
Zypern ist seit einem von der damaligen Militärjunta in Athen gestütztem Putsch und einer anschließenden türkischen Militärintervention im Jahr 1974 geteilt. Seitdem hat die Türkei rund 35.000 Soldaten in der TRNZ stationiert. Den griechischen Zyprioten ist diese militärische Präsenz ein Dorn im Auge.
„Für uns müssen sie (die türkischen Truppen, Anm.) komplett abziehen. Das ist einer der schwierigsten Punkte, vielleicht der schwierigste“, erklärt Polly Ioannou, Büroleiterin des griechisch-zypriotischen Verhandlungsführers Andreas Mavroyiannis. Die Entscheidung liege aber „komplett“ bei Ankara. „Die türkische Gemeinschaft kann in dieser Hinsicht nichts tun.“
Die Position des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sei „eher ein Fragezeichen“. Er sei eine „schwer einschätzbare Persönlichkeit“, sagt Ioannou. Die Türkei halte an „ihren eigenen Bedingungen“ fest, meint Mavroyiannis.
Die türkisch-zypriotische Führung sieht die Türkei zu einem Abzug ihrer Truppen bereit. Wobei das natürlich auch auf den Inhalt der ausverhandelten Einigung ankomme, so Ömer Soyer Kalyoncu, Premier der nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“.
Es gebe „keinen Zweifel“, dass die Türkei bei einer Verhandlungslösung ihre Truppen abzieht, meint der frühere TRNZ-Präsident und Vorsitzende der Cumhuriyetci Türk Partisi, Mehmet Ali Talat. „Das ist offensichtlich, darin sind wir uns einig.“
Aber auch türkische Zyprioten sorgten sich um ihre Sicherheit. „Das wichtigste Menschenrecht ist, sich sicher zu fühlen, anderes ist sekundär“, erklärt Kalyoncu. Vor allem Sorge, in einer Föderation diskriminiert zu werden und nicht gleich an Rechten mit den griechischen Zyprioten zu sein, beschäftigt die Bewohner des Inselnordens.
Die UNO patrouilliert entlang der Pufferzone an der Grenze zwischen dem griechischen und dem besetzten türkischen Teil der Insel. Auch Österreich ist mit vier Soldaten an der bereits mehr als 50 Jahre bestehenden Mission im Einsatz. Laut „United Nations Peacekeeping Force in Cyprus“ (UNFICYP) gibt es an der Demarkationslinie jedes Jahr etwa 1.000 „Zwischenfälle“. Die meisten gehen aber unblutig aus. Die Türkei ihrerseits hat seit 1974 in der TRNZ rund 35.000 Soldaten stationiert.
EIGENTUM
Die Eigentumsfrage ist ebenfalls ein zentraler Konfliktpunkt. Rund 200.000 griechische Zyprioten sind nach der türkischen Militärintervention 1974 in den Süden geflohen. Sie ließen ihre Häuser, Fabriken, Eigentum zurück, das später von türkischen Zyprioten, die wiederum teilweise selbst aus dem Süden geflohen waren, genutzt wurde.
Griechische Zyprioten erwarten sich Entschädigungen. Türkische Zyprioten wollen dagegen ihre Langzeit-Nutzungsrechte geltend machen. Talat beruft sich auf eine Entscheidung des europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, die den Nutzer und Eigentümer eines Grundstücks „beinahe (rechtlich, Anm.) gleichgestellt“ sehe.
KOSTEN und FINANZIERUNG
Nicht zuletzt mit der Eigentumsfrage ist auch die Kostenfrage einer Wiedervereinigung der Insel verbunden. Schätzungen dazu gibt es keine. Auch der inzwischen etwa in Nikosia großteils verfallene Bereich um die Demarkationslinie, die die gesamte Insel durchzieht, müsste wiederrichtet bzw. saniert werden.
Repräsentanten der TRNZ bemühen sich um einen internationalen Funds. „Die Entwicklung eines Funds wäre eine Lösung. Wir bekommen dazu positives Feedback. (...) Wir werden eine Einigung selbst finanzieren. Wenn uns geholfen wird, werden wir das zurückzahlen“, versichert Kalyoncu. Die TRNZ habe eine geringere Bevölkerung als die Republik Zypern und die Wirtschaftskraft sei daher schwächer. „Wir erfahren seit Jahren ein Embargo und Isolation.“
Die Europäische Union hat zugesichert, ihren Beitrag zur Überwindung der Teilung der Mittelmeerinsel zu leisten. Der EU gehe es nicht um die Kosten einer Wiedervereinigung, meinte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bei einem Zypern-Besuch Ende Juli. Die EU sei „stark“, und am größten wären die Kosten, wenn der Verhandlungsprozess scheitern sollte.