Flüchtlinge - Zypern von aktueller Welle in Europa nicht betroffen

Nikosia/Lefkosa (APA) - Europa sieht sich derzeit mit einer enormen Flüchtlingswelle konfrontiert. Auch nach Österreich überqueren täglich H...

Nikosia/Lefkosa (APA) - Europa sieht sich derzeit mit einer enormen Flüchtlingswelle konfrontiert. Auch nach Österreich überqueren täglich Hunderte Menschen die Grenze. Besonders die Länder der Balkan-Route sind mit den über die Türkei kommenden Flüchtlingen gefordert. Zypern dagegen erlebt trotz seiner geografischen Nähe zu Syrien keinen Flüchtlingsandrang.

Für den ausbleibenden Ansturm von Flüchtlingen auf Zypern gibt es mehrere Gründe. Die Mittelmeerinsel liegt nicht auf der Hauptroute der Flüchtlinge, die über die Türkei und die Balkan-Länder Richtung Mitteleuropa geht.

Zypern ist als Insel schwer zu erreichen und wieder zu verlassen. Die Mittelmeerinsel ist außerdem kein Schengenmitglied, trotz eines Aufenthaltsstatus‘ kann ein Flüchtling nicht in andere EU-Länder reisen, so Fiona Mullen von einer Wirtschaftsberatung in Nikosia „Sapienta Economics“ gegenüber der APA. Außerdem hätten Migranten auf Zypern wenig Rechte.

Erst wenige Male war ein Schiff vor der zypriotischen Küste, rund 100 Kilometer von der syrischen Küste entfernt, in Seenot geraten. Nach ihrer Bergung zogen die meisten Flüchtlinge eine Weiterfahrt in das europäische Festland vor.

Das größte und einzige Aufnahmelager auf Zypern kann 300 Flüchtlinge beherbergen, sagt Corina Drousiotou, Leiterin für Asyl und Humanitäres bei der NGO „Future Worlds Center“, die mit der UNHCR zusammenarbeitet und wesentlich durch sie finanziert wird, im Gespräch mit der APA in Nikosia. Derzeit kämen rund 1.000 Flüchtlinge im Monat im „Transitland“ Zypern - mit rund einer Million Einwohnern - an.

Im vergangenen Jahr kamen die meisten „irregulären Migranten“ aus Vietnam (810 Personen) und Sri Lanka (750 Personen). 2014 sank die Anzahl der „illegalen Migranten“ um 29 Prozent auf rund 5.000 Personen. Die Anzahl der Asylansuchen stieg um 28 Prozent auf knapp 1.400 Personen. Die meisten davon waren Syrer, deren Anträge in der Regel positiv beantwortet werden.

Vor dem Krieg in Syrien sei die Anerkennungsrate von Flüchtlingen mit drei bis vier Prozent eine der niedrigsten in Europa gewesen. Jetzt würden die Ansuchen der Syrer schneller behandelt, die Mehrheit bekomme von Anfang an Schutz. Seit 2015 gebe es diese Hilfe auch für staatenlose Palästinenser. Zypern habe früher mit Syrien immer gute Beziehung gehabt, etwa beim Bauboom. Syrische Migranten würden derzeit zu 100 Prozent als Flüchtlinge anerkannt, das mache andere zu Flüchtlingen „zweiter Klasse“, erklärt Drousiotou.

„Das Problem (in Syrien, Anm.) gibt es seit vier, fünf Jahren, wir (die EU, Anm.) haben das unterschätzt.(...) Die EU war komplett unvorbereitet, der enormen Krise zu begegnen“, sagt Sotas Ktoris, Koordinator für Asyl im Innenministerium, gegenüber der APA in Nikosia. Zypern sei ein „sehr kleines Land“, die Integrationsmöglichkeit sei „beschränkt“. Dennoch wende die Republik Zypern das Dublin-Abkommen „sehr strikt“ an. Jedoch: „Das war ein großer Schlag für die EU, das Kollabieren der Dublin-Konvention.“ Auch gegenüber europäischen Quoten zur Flüchtlingsverteilung habe die Republik Zypern „sehr positiv“ reagiert. Sie sei bereit mehr als je 100 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufzunehmen.

Die Expertin Drousiotou zeigt sich skeptisch gegenüber einer Quotenregelung: „Wie soll das funktionieren? Wie soll Zypern 500 Flüchtlinge von Italien und Griechenland nehmen? Sie werden das europäische Festland nicht verlassen.“ „Das Dublin-Abkommen funktioniert definitiv nicht, es ist gescheitert und stecken geblieben, es ist zu streng und irreal“, sagt Drousiotou.

Die EU unterstützt Zypern in den Bereichen Migration und Sicherheit finanziell. Der Asyl-, Migration- und Integration-Funds (IF) stellt in Summe 33.208.677 Euro für den Zeitraum 2014 bis 2020 zur Verfügung, der Interne Sicherheitsfunds (ISF) 42.624.287 Euro, heißt es aus der Europäischen Kommission auf Anfrage der APA.

„Das Leben und die Integration auf Zypern ist schwierig. Die Politik ist nicht einladend“, erklärt Drousiotou. So habe die Regierung im vergangenen Jahr etwa das Recht auf Familienzusammenführung aufgehoben. Sie wolle Flüchtlinge „nicht bestärken“ nach Zypern zu komme, was Wirkung gezeigt habe.

Die Finanzkrise habe Jobs gekostet und das tägliche (Über-)Leben erschwert, Migranten wüssten davon. Die Republik Zypern unterstütze die Flüchtlinge kaum. Wer keine Unterkunft im Aufnahmelager finde, müsse sich privat um eine Bleibe bemühen. Einige blieben daher bis zu drei Jahren im Flüchtlingslager.

Die ersten sechs Monate nach ihrer Ankunft dürften die Flüchtlinge nicht arbeiten, auch danach dürften sie nur in der Landwirtschaft tätig sein. Erste finanzielle Hilfe vom Staat erhielten Flüchtlinge mit anerkanntem Status nach zwei bis drei Monaten, erklärt die Expertin.

Bisher habe die Republik Zypern kein langfristiges Migrations- oder Integrationskonzept entwickelt, außerdem sei sie mit der Vergabe von Staatsbürgeschaften laut Drousiotou zurückhaltend. Die Zyprioten selbst seien „indifferent“ die Flüchtlinge betreffend.

(Entstanden im Rahmen des Projekts „eurotours“ des Bundespressedienstes. Flug und Unterkunft wurden aus Mitteln des Kanzleramts finanziert.)