Flüchtlinge - Doppelstandards auf Zypern

Nikosia/Lefkosa (APA) - Infolge des Putsches griechischer Offiziere, der Kämpfe und der türkischen Militärinvasion 1974 kam es auf Zypern zu...

Nikosia/Lefkosa (APA) - Infolge des Putsches griechischer Offiziere, der Kämpfe und der türkischen Militärinvasion 1974 kam es auf Zypern zur großen Fluchtbewegung zwischen Nord und Süd. Mehr als 200.000 Menschen flüchteten allein aus dem Norden Zyperns in den Süden oder wurden zwangsweise umgesiedelt. Sie werden auf Zypern ebenfalls „Flüchtlinge“ genannt.

Corina Drousiotou, Leiterin für Asyl und Humanitäres bei der NGO „Future Worlds Center“, einer Partnerorganisation des UNO-Flüchtlingshochkommissariats (UNHCR), spricht daher von Doppelstandards in Flüchtlingsfragen auf Zypern, in „wir „ (die griechischen Zyprioten aus dem Norden) und die „anderen“ (Flüchtlinge aus anderen Ländern).

Der griechische Zypriot Constantinos Tsiourtos ist einer der Inselflüchtlinge. Er verbrachte seine ersten Lebensjahre in einem Zeltlager in der Republik Zypern. So wie tausende andere griechische Zyprioten waren auch seine Eltern aus dem Norden 1974 geflüchtet, als die Türkei das Gebiet besetzte, griechische Putschisten hatten zuvor versucht einen Anschluss an Griechenland durchzusetzen.

„Viele Leute starben aufgrund der Bedingungen im Zeltlager. Im Winter hatte es nur fünf Grad“, erzählt Tsiourtos im Gespräch mit der APA in Nikosia. Tausende würden immer noch in Flüchtlingsunterkünften in „sehr armen“ Verhältnissen leben. Die Flüchtlinge würden aber staatlich unterstützt.

Das Schicksal von Flüchtlingen, die etwa aus Syrien nach Zypern kommen, werde auf Zypern daher aufgrund seiner Geschichte verstanden. „Wir haben das durchgemacht, wir wissen wie es ist“, sagt Tsiourtos.

Ein türkischer Zypriot spricht gegenüber der APA in Hafenstadt Keryneia (Türkisch: Girne) von hohen Kompensationen, die Flüchtlinge im Norden erhalten hätten. Auch würden verlassene Häuser der in den Süden Geflüchteten genutzt.

Dennoch besteht das Problem im Zypern-Konflikt Tsiourtos zufolge nicht zwischen den Menschen. Er sei einer der ersten gewesen, die Projekte zwischen den Volksgruppen Mitte der 1990er Jahre gestartet haben. „Wir wollten grass-root-Treffen in der Pufferzone schaffen.“ Zuerst habe Skepsis unter den Menschen geherrscht, bis sie gesehen hätten, sie (Mitglieder der anderen Volksgruppe, Anm.) sind wie wir, wir haben dieselbe Kultur.“

Im Norden der Insel gebe es kein Asylsystem, sie seien nicht an die Genfer Flüchtlingskonvention gebunden und die Flüchtlinge hätten im Norden keine Rechte, sagt Drousiotou. „Viele werden in die Türkei zurückgeschickt.“

Die Flüchtlingszahlen seien zurückgegangen, sagt der Ex-Präsident der nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ (TRNZ) und Vorsitzende der Cumhuriyetci Türk Partisi, Mehmet Ali Talat, gegenüber der APA an seinem Parteisitz in Nikosia (türk. Lefkosa). Früher seien diese in die Republik Zypern weitergereist, um in die Europäische Union zu kommen. Wegen des „unfreundlichen Verhaltens“ der Republik Zypern hätte das aber aufgehört.

Flüchtlinge würden entweder in die Türkei zurückgeschickt, „einige“, die Asyl beantragen, würden in der TRNZ akzeptiert und auch finanzielle Hilfe bekommen. Aber: „Nicht zu viele.“ „Wir können eine große Anzahl an Flüchtlingen nicht finanzieren, wir bekommen keine internationale Hilfe.“

Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) könnte in der international nicht anerkannten TRNZ nicht aktiv sein, erklärte eine türkische-zypriotische Lehrerin der APA. Daher gebe es eine „Refugee Rights Association“, die diese Aufgaben übernehme.

Probleme gebe es vor allem mit den türkischen Arbeitsmigranten, die nahezu in einer Parallelgesellschaft lebten. Diese kämen meist aus ärmlichen Regionen in der Türkei und seien auch in ihrer Kultur von den liberal eingestellten türkischen Zyprioten - etwa in Glaubensfragen, wenn säkulär eingestellte türkische Zyprioten auf strenggläubige Muslime treffen - sehr verschieden. Zudem seien Frauen und Kinder der türkischen Arbeitsmigranten mitunter ohne Registrierung im Land, die Kinder könnten daher nicht zur Schule gehen, so die Lehrerin, die nach eigenen Worten auch an einer „Migrantenschule“ arbeitet.

„Manchmal gab es solche Probleme (Kinder ohne Schulbesuch, Anm.)“, sagt Ömer Soyer Kalyoncu, Premier der „Türkischen Republik Nordzypern“, an seinem Amtssitz in Nikosia (türk. Lefkosa) gegenüber der APA. Es habe sich um eine geringe Anzahl an Kindern gehandelt und sei nun gelöst.

Die Migranten werden als Teil der zypriotisch-türkischen Bevölkerung gesehen, sagt Kalyoncu. „Es ist höchstwahrscheinlich, dass fast alle (in der TRNZ, Anm.) bleiben.“

Ex-Präsident Talat weist Spannungen zwischen den türkischen Zyprioten und den türkischen Migranten zurück. „Es ist kein so großes Problem mehr, wie es in der Vergangenheit war. Es gab viel Übertreibung.“

Talat spricht von 250.000 Bewohnern der TRNZ. Dazu kämen Studenten, angelockt von günstigen Studienbedingungen, und rund 34.000 Arbeiter mit Arbeitsgenehmigungen, was eine Gesamtbewohnerzahl von rund 300.000 ergebe. Rund 50.000 bis 60.000 Menschen seien aus der Türkei eingewandert, wobei in der TRNZ geborene Türken oder mit türkischen Zyprioten verheiratete Türken nicht dazugezählt würden. Eine Schätzung der unregistrierten Arbeitnehmer kann er nicht nennen.

Offiziell wohnen 300.000 Menschen in der TRNZ, bestätigt ein türkischer Zypriot der APA. Ergänzend würden rund 150.000 Personen „illegal“, hauptsächlich Arbeiter aus der Türkei, ebenfalls in Nordzypern leben. Türkische Arbeiter dürften bis zu drei Monaten in der TRNZ sein, danach müssten sie ihre Aufenthaltsgenehmigung erneuern. Auch wer von seinem Arbeitgeber entlassen werde, verliere seine Aufenthaltsgenehmigung. Viele blieben Jahre und seien ohne Registrierung und Rechte ihrem Arbeitgeber „ausgeliefert“.

25 Prozent der 300.000 offiziellen TRNZ-Bewohner hätten bereits vor 1974 in Nordzypern gelebt, die anderen seien zugewandert, erklärt der Einheimische. Diese Zahlen hört man auf der Insel immer wieder.

Mittlerweile würden mehr türkische Zyprioten in der Ex-Kolonialmacht Großbritannien leben als in der TRNZ, heißt es. In London sollen rund 200.000 griechische und türkische Zyprioten leben.

(Entstanden im Rahmen des Projekts „eurotours“ des Bundespressedienstes. Flug und Unterkunft wurden aus Mitteln des Kanzleramts finanziert.)