Wechselstimmung bei Parlamentswahl in Polen
Warschau (APA/AFP) - Polen wählt und ist in Wechselstimmung: Bei den Parlamentswahlen am Sonntag deutet vieles auf einen Machtwechsel hin. T...
Warschau (APA/AFP) - Polen wählt und ist in Wechselstimmung: Bei den Parlamentswahlen am Sonntag deutet vieles auf einen Machtwechsel hin. Trotz guter wirtschaftlicher Entwicklung sind viele Polen unzufrieden mit der regierenden liberalen „Bürgerplattform“ (PO) unter Ministerpräsidentin Ewa Kopacz.
Davon profitiert die oppositionelle nationalkonservative Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS) des ehemaligen Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski, die sogar die absolute Mehrheit erzielen könnte.
Nach jüngsten Umfragen lag die PiS zwischen acht und zwölf Prozentpunkte vor der PO von Kopacz, die nur 24 bis 28 Prozent erreichte. Die PiS tritt mit Beata Szydlo als Spitzenkandidatin an. Im Wahlkampf versprach sie eine Senkung der Steuern und des Pensionsalters sowie eine Erhöhung der Sozialleistungen.
Starker Mann im Hintergrund ist aber nach wie vor Ex-Regierungschef Kaczynski. Im Wahlkampf wetterte er gegen die Aufnahme von Flüchtlingen in Polen und generell gegen eine Politik, die seiner Ansicht nach auf eine Unterwerfung Polens unter ein Diktat aus Brüssel hinausläuft.
Der Politikwissenschafter Eryk Mistewicz geht von einem „großen Comeback“ Kaczynskis aus. Denn auch wenn die europaskeptische PiS die absolute Mehrheit von 231 Sitzen verfehlt, dürfte sie leicht Verbündete zur Bildung einer Regierung finden.
Als wahrscheinlichster Partner der PiS gilt die Anti-Establishment-Partei „Kukiz‘15“ des Punkrockers Pawel Kukiz, der bei der Präsidentenwahl im Mai überraschend auf 20 Prozent der Stimmen gekommen war. Bei der Wahl hatte sich der kaum bekannte PiS-Kandidat Andrzej Duda gegen den liberalen Amtsinhaber Bronislaw Komorowski durchgesetzt. Dudas Wahlkampfmanagerin war Szydlo. Auch die Bauernpartei PSL, die bisher mit der PO zusammen die Regierung stellt, könnte sich der PiS anschließen.
Die PO konnte hingegen kein Kapital aus dem soliden Wachstum und der relativ niedrigen Arbeitslosigkeit schlagen. Sie wurde nach Einschätzung von Experten zudem durch den Wechsel von Ministerpräsident Donald Tusk ins Amt des EU-Ratspräsidenten geschwächt.
„Dass die Wirtschaft während der Krise (2008/9) weiter wuchs, war nicht das Verdienst der PO, sondern mehr dem riesigen Zufluss von EU-Mitteln und den Investitionen vor der Europameisterschaft 2012 geschuldet“, sagt Agnieszka, Managerin einer Baufirma in Warschau. „Die PO hätte das Geld viel besser verwalten können“, ist die 40-Jährige überzeugt und will die PiS wählen. Dagegen befürchtet die 58-jährige Krankenschwester Ewa neue Schulden angesichts der teuren Wahlversprechen der PiS; ihre Stimme gehöre der PO.
Die Wahllokale sind von 07.00 Uhr bis 21.00 Uhr geöffnet. Nachwahlbefragungen dürften schnell zeigen, wer die Wahl gewonnen haben dürfte. Erste offizielle Ergebnisse werden für Montag erwartet, Angaben zur Mandatsverteilung am Dienstag.