Ukrainische Schmuggelhauptstadt Odessa geht bei Wahl eigenen Weg

Odessa (APA/dpa) - In der ukrainischen Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer verdient Alexander Otdelnow sein Geld mit Schmuggel - aber auf eh...

Odessa (APA/dpa) - In der ukrainischen Hafenstadt Odessa am Schwarzen Meer verdient Alexander Otdelnow sein Geld mit Schmuggel - aber auf ehrbare Weise. Sein kleines privates Museum zeigt, auf welche Tricks Schmuggler über die Jahrhunderte gekommen sind. „Odessa verdankt seine Entstehung und Blüte dem Freihafen und damit auch dem Schmuggel“, sagt Otdelnow (46).

Auch am Tag der ukrainischen Kommunalwahl am Sonntag kommen viele Touristen in das Kellergewölbe, sie bewundern Schmuggelgut wie Brüsseler Spitzen, Waffen oder Brillanten im Damenschuh.

Das Museum ist eine typische Odessaer Idee - schlitzohrig und selbstironisch. Die 1794 gegründete Stadt war immer ein kultureller Schmelztiegel, geprägt von Franzosen, Russen, Juden, Griechen und Moldawiern. „Odessa ist Amerika sehr ähnlich“, sagt Otdelnow. Als größter Hafen könnte Odessa heute eine wichtige Rolle bei der wirtschaftlichen Gesundung der Ukraine spielen. Doch zugleich war die Loyalität der Millionenstadt zur Ukraine immer ein Stück fraglich. Erst seit dem Krieg im Osten stehen die russischsprachigen Metropolen Odessa, Dnipropetrowsk oder Charkiw fester zu Kiew.

Auch Otdelnow hält es mit der Ukraine und der neuen prowestlichen Führung um Präsident Petro Poroschenko. Er hofft auf einen Erfolg der Reformen von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk. Ein paar hundert Meter weiter sieht ein Ingenieur, der seinen Namen nicht nennen will, das ganz anders. Er sitzt auf einer Bank an der berühmten Potemkin-Treppe, die von der Stadt hinunter zum Hafen führt.

2.000 Griwna (80 Euro) verdiene er im Monat, rechnet der Mann vor. Die Hälfte gebe er fürs Wohnen aus. „Jetzt haben sie den Gaspreis erhöht. Allein dafür muss ich 500 Griwna zahlen.“ Beim Essen reiche es für zweimal täglich Grütze. Wenn er ein Huhn kaufe, müsse er es für eine Woche einteilen. „Kleider habe ich seit Jahren nicht gekauft“. Wie er sind viele Ukrainer enttäuscht über die wirtschaftliche Lage. Das dürfte bei der Kommunalwahl zu Lasten des Poroschenko-Lagers gehen.

Früher galten die Sympathien des Ingenieurs der Partei der Regionen des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch. Von den Neuen in Kiew hält er nichts: „Wen du nicht für die Macht bist, bist du gleich ein Feind, ein Separatist.“

Odessa leidet immer noch unter der Tragödie vom 2. Mai 2014. Damals kamen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern des proeuropäischen Maidans und prorussischen Maidan-Gegnern 48 Menschen ums Leben. Die meisten waren Maidan-Gegner, die im brennenden Gewerkschaftshaus starben.

Wo so viel Geld zu holen ist wie in Odessa, sind traditionell auch die Wahlen schmutzig. Als Gouverneur und Triebkraft für Reformen hat Poroschenko den früheren georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili eingesetzt. Der wollte in Odessa die saubersten Wahlen in der Geschichte der Stadt abhalten. Demonstrativ fuhr er am Sonntag mit dem Fahrrad zum Wahllokal. „Bei diesen Wahlen sollte das neue, das friedliche Odessa gewinnen“, sagte er vor Journalisten.

Ganz habe Saakaschwili sein Ziel sauberer Wahlen nicht erreicht, bilanziert Anatoli Bojko, in Odessa Leiter der nichtstaatlichen Organisation Komitee der Wähler der Ukraine. Viele Parteien und Bürgermeisterkandidaten hätten versucht, Wählerstimmen zu kaufen - mit Geschenken oder mit Geld. Als Gouverneur habe sich Saakaschwili offen für den Kandidaten Alexander Borowik eingesetzt. Allgemein wurde aber damit gerechnet, dass Bürgermeister Gennadi Truchanow im Amt bleibt. Der Kandidat des Darth-Vader-Blocks - auch eine Juxidee aus Odessa - stand angeblich nicht im Wählerverzeichnis. Seine Begleiter in „Star Wars“-Kostümen bekamen es gar mit der Polizei zu tun.

Doch die Verstöße in Odessa fielen klein aus angesichts der Probleme in der Hafenstadt Mariupol, die dicht an der Frontlinie zu den Separatistengebieten im Osten liegt. Dort und in Krasnoarmiisk wurde die Wahl sabotiert und fiel aus, was Präsident Poroschenko scharf kritisierte. In Kiew kämpfte Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko um eine Wiederwahl als Bürgermeister.