Polen rückt nach rechts: Nationalkonservative siegen
Aktuellen Prognosen zufolge haben die Nationalkonservativen bei der Parlamentswahl deutlich gesiegt und können künftig alleine regieren.
Warschau - Die Polen haben für den Wechsel gestimmt: Bei der Parlamentswahl am Sonntag ist die nationalkonservative Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) klar stärkste Kraft geworden. Nach Prognosen vom frühen Montagmorgen veröffentlichten Hochrechnungen stimmten 37,7 Prozent der Wähler für die PiS und ihre Spitzenkandidatin Beata Szydlo. Die Partei Recht und Gerechtigkeit hätte damit 232 Abgeordnetenmandate erhalten. Das ist die absolute Mehrheit der insgesamt 460 Mandate.
„Dieser Sieg ist euer aller Verdienst“, sagte Szydlo vor jubelnden Anhängern. Die rechtsliberale Bürgerplattform (PO) von Regierungschefin Ewa Kopacz kam danach lediglich auf 23,6 Prozent. Die Partei muss sich nach acht Jahren an der Regierung mit der Oppositionsrolle abfinden. Bei den Parlamentswahlen vor vier Jahren hatten noch 33,7 Prozent der Wähler für die PO - damals noch unter dem heutigen EU-Ratspräsidenten Donald Tusk - gestimmt und 23,2 Prozent für die PiS.
Kopacz räumte am Abend ihre Niederlage ein. Fast trotzig verwies sie auf die Erfolge von acht Jahren PO-Regierung, vor allem das Wirtschaftswachstum und den Rückgang der Arbeitslosigkeit. „In diesem Zustand überlassen wir Polen denen, die heute gewonnen haben“, sagte sie.
Wenn sich die Prognosen bestätigen, kann Szydlo alleine regieren. Die Nationalkonservativen unter Parteichef und Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski dürfen auf 232 Sitze im neuen Parlament hoffen, für die absolute Mehrheit sind 231 Mandate notwendig. Die PiS ist dann erstmals seit 2007 wieder an der Macht. Die Wahlbeteiligung lag bei 51,6 Prozent. Wann das offizielle Endergebnis bekannt gegeben wird, war noch nicht klar.
Fünf Parteien im neuen Parlament
Im künftigen Parlament sind Prognosen zufolge fünf Parteien vertreten. Mit 8,7 Prozent der Stimmen und 42 Mandaten würde auch die Kukiz-Bewegung des ehemaligen Rockmusikers Pawel Kukiz leicht einbüßen. Leichte Gewinne erzielte der neuen Hochrechnung zufolge die wirtschaftsliberale Partei Nowoczesna mit 7,7 Prozent der Stimmen und 30 Abgeordneten. Auf die Bauerpartei PSL entfallen nach IPSOS-Nachwahlbefragungen in 90 Prozent der Wahlkommissionen zufolge unverändert 18 Mandate oder 5,2 Prozent der Wählerstimmen.
Der Wahlsieg der Nationalkonservativen könnte nach Experteneinschätzungen das gute Verhältnis zwischen Polen und Deutschland auf eine Probe stellen. Es könne sein, dass es künftig schwieriger werde, gemeinsame Positionen mit Polen zu entwickeln, sagte der Direktor des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt, Dieter Bingen, am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur. Schon bisher hätten Deutschland und Polen zum Beispiel in punkto Klimaschutz und Energie, aber auch in der Flüchtlingskrise unterschiedliche Positionen vertreten. Die Frage sei, ob die europaskeptische PiS die grundsätzlich integrationsfreundliche Politik mit Deutschland innerhalb der Europäischen Union fortführen wolle.
Bei einer Alleinregierung werde die PiS in der Wirtschafts- und Steuerpolitik „schnell an die Realitäten erinnert werden“, betonte Bingen. „Die Umsetzung angekündigter sozialer Wohltaten ohne Rücksicht auf Staatshaushalt und Konkurrenzfähigkeit Polens würde zu einer Destabilisierung führen, die den wirtschaftlichen Aufstieg Polens in den letzten Jahren stark gefährden würde. (APA/dpa)