Polen-Wahl - Der Schattenmann ist zurück an der Macht
Warschau (APA/AFP) - Der Schattenmann der polnischen Politik ist zurück auf der großen politischen Bühne. Kaum ein anderer Politiker weckt i...
Warschau (APA/AFP) - Der Schattenmann der polnischen Politik ist zurück auf der großen politischen Bühne. Kaum ein anderer Politiker weckt in Polen so heftige Emotionen bei Anhängern und Gegnern wie der erzkonservative Oppositionschef Jaroslaw Kaczynski von der EU-skeptischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS).
Zwar trat der PiS-Chef zur Parlamentswahl am Sonntag nicht selbst an. Doch mit dem Sieg der allgemein als seine „Strohfrau“ angesehenen PiS-Spitzenkandidatin Beata Szydlo hält Kaczynski nun wieder die Fäden in den Händen.
Im eigenen Lager wird Kaczynski wegen seines scharfen Verstands und seiner unnachgiebigen Haltung bewundert. Seine liberalen und sozialdemokratischen Gegner verabscheuen den kleinen Mann mit dem runden Gesicht dagegen als spalterischen Scharfmacher. Bis hin zu Stalin-Vergleichen reichte die Ablehnung. Und vermutlich werden Spötter nicht lange für neue Enten-Witze brauchen, die in Anlehnung an die Ableitung des Namens Kaczynski vom polnischen Kaczka (Ente) im Land vor Jahren schon einmal Hochkonjunktur hatten.
Auch in Brüssel dürften so manchen Politiker und Diplomaten ungute Erinnerungen beschleichen. Mit ihrer ruppigen Art und Verhandlungsblockaden vergrätzten die Kaczynski-Zwillinge als Tandem aus Regierungs- und Staatschef seinerzeit viele Partner. Sie mussten mit ansehen, wie Jaroslaw und Lech immer mehr Zugeständnisse beim Projekt eines europäischen Reformvertrages verlangten. Deutschland warfen die Brüder Hegemoniebestrebungen in Europa vor und griffen damit ganz tief in die anti-deutsche Mottenkiste der früheren kommunistischen Regierung.
Jaroslaw Kaczynski gilt als Volkstribun und Stratege. Bereits im Mai hatte der Strippenzieher einen Coup gelandet, als sein Parteifreund Andrzej Duda die Präsidentschaftsstichwahl gegen den liberalen Amtsinhaber Bronislaw Komorowski gewann, einen langjährigen Verbündeten der liberalen Bürgerplattform (PO).
Kaczynski selbst war Komorowski in der zweiten Runde der vorgezogenen Präsidentschaftswahl 2010 unterlegen. Diese war notwendig geworden, nachdem der damalige Präsident Lech Kaczynski, Jaroslaws eineiiger Zwillingsbruder, bei einem verheerenden Flugzeugunglück zusammen mit zahlreichen weiteren polnischen Politikern und Militärs in Russland starb. Komorowski amtierte daraufhin zunächst als Übergangsstaatschef.
So wie das jetzige Staatsoberhaupt Kaczynskis Mann ist, wird Szydlo im Amt der Ministerpräsidentin voraussichtlich Kaczynskis Frau sein. Denn er ist der eigentliche Macher im Hintergrund. Der 66-jährige Kaczynski hat selbst Regierungserfahrung. Im Juli 2006 vereidigte ihn sein 45 Minuten jüngerer Zwillingsbruder Lech als Regierungschef. Sein Ministerpräsidentenamt verlor Kaczynski allerdings schon gut ein Jahr später an den Liberalen Donald Tusk.
Der polnische Wahlforscher Eryk Mistewicz bescheinigt Kaczynski das Geschick eines „Schachspielers, der mehrere Partien gleichzeitig spielen kann“. Der Politologe Mikolaj Czesnik sagte einmal, der PiS-Mitbegründer habe einen ausgeprägten Sinn für Massenpsychologie: „Er hat gelernt, mit den Gefühlen der Menschen zu spielen, manchmal mit den niedrigsten.“
Kaczynski könne latente Ängste wecken, anti-europäische Gefühle und Sozialneid. Zuletzt sorgte er mit drastischen Äußerungen über Flüchtlinge für Wirbel. Die Flüchtlinge schleppten gefährliche Krankheiten ein, sie brächten „Cholera auf die griechischen Inseln, die Ruhr nach Wien, verschiedenartige Parasiten“. Kritiker sagten, solche Wahlkampfparolen erinnerten an die Nazi-Zeit.
Wie erfolgreich seine Strategie ist, zeigte sich am Wahlabend: Nach ersten Prognosen wurde die PiS nicht nur die mit Abstand stärkste Partei, sondern könnte auch die absolute Mehrheit errungen haben. Kaczynski sprach bereits von einem historischen Sieg der PiS, die als erste Partei seit dem Ende des Kommunismus alleine regieren werde.