Letzte Orang-Utans ersticken an gigantischen Rodungen für Palmöl
Für die Palmöl-Industrie werden vor allem auf den indonesischen Inseln Sumatra und Kalimantan riesige Waldflächen niedergebrannt. Menschen leiden verstärkt an Atemwegserkrankungen, während Tierschützer um das Überleben hunderter Orang-Utans kämpfen.
Von Dessy Sagita/AFP
Jakarta - Krank, unterernährt und schwer traumatisiert: Die verheerenden Waldbrände in Indonesien gefährden auch die Orang-Utans in Schutzgebieten und freier Wildbahn. Die Feuersbrunst überzieht die Region mit beißendem Rauch und verwandelt den Lebensraum der rotbraunen Menschenaffen in verkohltes Ödland.
Auf der Insel Borneo kämpft die Rettungsstation Nyaru Menteng um das Überleben ihrer 470 Orang-Utans. Zudem machen sich Teams auf die gefährliche Suche nach kranken Tieren in den brennenden Wäldern.
16 Baby-Orang-Utans befinden sich in der Rettungsstation der Provinz Kalimantan bereits in Quarantäne, weil sie wegen des dicken Rauches unter Atemwegsinfekten mit hohem Fieber und schwerem Husten leiden. Ein Tierpfleger versucht, mit den Äffchen zu spielen. In anderen Gehegen erholen sich erschöpfte Tiere von der tagelangen Jagd nach Nahrung und Wasser, immer auf der Flucht vor den Flammen. Andere schwingen unaufhörlich von Stange zu Stange und machen schmatzende Geräusche, was die Pfleger beunruhigt: „Das ist ein schneller Kuss“, sagt Tierpfleger Hermansyah. „Das zeigt, dass sie unter enormem Stress stehen.“
Feuer wüten bereits seit zwei Monaten
In Indonesien wüten seit zwei Monaten tausende Brände, die vor allem auf Brandrodung zurück gehen. Unternehmen machen auf diese Weise schnell und billig Platz für neue Ölpalmen- oder Industrieholz-Plantagen. In Kalimantan und der benachbarten Insel Sumatra zerstörten die Wald- und Torffeuer bisher 1,7 Millionen Hektar Wald. Riesige Rauchschwaden ersticken große Teile Südostasiens und verursachen bei zehntausenden Menschen Atemwegserkrankungen. Schulen mussten schließen, viele Flüge abgesagt werden. Die Nachbarstaaten reagieren mit wachsender Empörung.
Die Brände treten jedes Jahr während der Trockenzeit auf, werden in diesem Jahr durch das Wetterphänomen El Nino aber verstärkt. Noch gilt in der 62,5 Hektar großen Tier-Station Alarmstufe gelb, doch angesichts von Geschwindigkeit und Ausmaß der näher kommenden Feuer erwägt Leiter Denny Kurniawan, die Alarmstufe rot auszurufen und alle 470 Orang-Utans in Sicherheit zu bringen.
„Diese Brände stellen alles in den Schatten“
„Die diesjährige Katastrophe ist bestimmt die schlimmste seit 1997“, sagt Kurniawan - damals hatten außer Kontrolle geratene Brände wirtschaftliche Verluste von umgerechnet rund 8,4 Milliarden Euro verursacht. „Wir mussten noch nie Orang-Utans evakuieren oder einen Notfallplan erstellen, aber diese Brände stellen alles in den Schatten.“
In den Wäldern, so fürchtet Kurniawan, könnten manche Orang-Utans bereits verbrannt sein. Er schickt Veterinäre, Kletterer und Techniker mit Betäubungspfeilen auf riskante Einsätze, um Affen in Not aufzuspüren. „Oft sahen wir nur 30 Meter weit, wir konnten kaum atmen und hatten Kopfschmerzen“, berichtet Tierpfleger Hermansyah. „Wir glauben, den Orang-Utans geht es genauso“. Viele aus den Bränden gerettete Affen sind unterernährt, dehydriert und haben panische Angst vor Menschen.
Rauchschwaden erreichen Thailand und die Philippinen
Inzwischen treiben die beißenden Wolken bis zu den thailändischen Urlaubsinseln und zu den Philippinen. Am Montag brach Präsident Joko Widodo wegen der Brandkatastrophe seinen US-Besuch ab. Im Kampf gegen die Feuer hat die Regierung rund 30 Flugzeuge und zehntausende Truppen im Einsatz, für eventuelle Evakuierungen schickte sie Kriegsschiffe in die am schlimmsten betroffenen Gebiete. Doch die Behörden in Kalimantan klagen über Geldmangel.
In der Orang-Utan-Station herrscht Unverständnis, dass es trotz der seit 20 Jahren alljährlich wiederkehrenden Waldbrände kaum Fortschritte bei ihrer Bekämpfung gibt. „Warum haben wir nichts gelernt?“, schimpft Kurniawan. „Warum passiert dies immer wieder?“