Pointner: „Wir wollten die Flucht nach vorne antreten“
Nach dem Selbstmordversuch seiner Tochter ging Ex-Skisprungtrainer Alex Pointner an die Öffentlichkeit.
Von Florian Madl
Innsbruck – Es war nicht das erste Mal, dass Alexander Pointner mit einem höchstprivaten Thema an die Öffentlichkeit ging. Doch im Gegensatz zum ersten Mal, einem Jänner-Tag des Jahres 2014, fiel ihm das diesmal schwer. Diesmal konnte der Tiroler nicht darüber berichten, wie er die Krise – eine Depression von sich und seinem Sohn Max – gemeistert hat. Diesmal steckte das gefeierte Mastermind der „Superadler“ mittendrin. Hörbar schwer fiel es ihm deshalb, wie gestern die Aufzeichnung des Ö3-Gesprächs mit Claudia Stöckl widerspiegelte, darüber zu sprechen. Denn der 5. November 2014, der Tag des Suizidversuchs seiner 16-jährigen Tochter Nina, stand in keiner Relation zu den Glücksgefühlen rund um seine 32 Skisprung-Medaillen als Trainer: „Es war der schrecklichste Moment meines Lebens, von diesem Vorfall zu erfahren. Die erste Zeit war ich wie gelähmt.“ Warum man jetzt damit nach außen geht? „Wir wollen die Flucht nach vorne antreten.“
Seine Gattin Angela berichtete von der damals eben diagnostizierten Depression ihrer Tochter, der Hoffnung im Zuge der psychiatrischen Behandlung – und den ersten Momenten, als sie ihre leblose Tochter im Freizeitraum des Innsbrucker Hauses fand: „Nina hat mich angerufen, ob ich sie von der Schule abholen kann, es ging ihr nicht gut, sie wollte aber nicht darüber reden. Ich habe noch weg müssen und sie kurz allein gelassen, in der Zeit hat sie es getan.“ Erinnerungen an die Depressionen von Alexander Pointner und Sohn Max in den Jahren zuvor wurden wach, Angela sprach von offensichtlich „genetischen Voraussetzungen“.
Seit damals ist das Leben der Pointners ein anderes. Tochter Nina liegt in Hochzirl im Wachkoma, Prognosen sind aufgrund des Sauerstoffmangels nach dem Suizidversuch verhalten. Es ist die Hoffnung, die den Pointners Kraft gibt, und Mama Angela beharrt darauf, dass sie sich davon „nicht abbringen lasse“.
Seit damals bestimmen Krankenhausbesuche den Alltag, eine Psychotherapie soll der Familie bei der Aufarbeitung helfen. Schuldgefühle? „Natürlich habe ich mich oft gefragt, ob ich als Trainer zu viel unterwegs war, mich zu wenig um die Familie gekümmert habe. Mein Therapeut sagt: ‚Man kann Vergangenes nicht wiedergutmachen. Aber man kann es jetzt gut machen.‘“ Seine Frau Angela sucht Ausgleich im Schreiben zu finden, dieser Tage erscheint ihr Roman über einen Koma-Patienten („Phie und die Hadeswurzel“).
Und Alexander Pointner bleibt Vortragender, nebenbei hilft der 44-Jährige einem bulgarischen Skispringer auf die Sprünge. Der Wunsch, wieder mit der Fahne am Schanzenturm zu stehen, sei derzeit nicht da. Seine Frau Angela begrüßt das. Und dass der Abschied vom ÖSV keiner mit Wehmut gewesen sei, vielmehr einer voller Bitterkeit, würde sich ihrer Meinung nach jetzt zeigen: Aus dem Skisprungzirkus habe sich zuletzt niemand bei ihnen gemeldet, das verletze sie. „Ich habe selten so viele feige Männer auf einem Haufen gesehen.“ Aber irgendwann will Alex Pointner an die Schanze, nur nicht jetzt: Im Warteraum eines Krankenhauses werde so manche Relation im Leben zurechtgerückt.