Mutiges Theater für kleine und große Menschen
Die Osttiroler Regisseurin, Theaterautorin und Musikerin Cornelia Rainer inszeniert das Kinderstück des Burgtheaters.
Am Samstag feiert Ihre Fassung von Erich Kästners berühmtem Kinderroman „Pünktchen und Anton“ im Kasino des Burgtheaters Premiere. Wie bringen Sie Kästner auf die Bühne?
Cornelia Rainer: Ich gehe von Kästners Geschichte aus. Ziel meiner Fassung war es aber, den Figuren die Möglichkeit zu geben, auf eine thematische Reise zu gehen, die aus Kästners Schwarz-Weiß-Welt hinausführt. Unter Verwendung von Original-Material von Kästner, seinen Gedichten zum Beispiel, ist so eine ganz neue Fassung entstanden, die inhaltlich an der Geschichte dranbleibt, aber jeder einzelnen Figur eine frische Kontur gibt.
Kästners Texte fließen also in die Dialoge ein?
Rainer: Ja genau, das mit Material angereicherte Grundgerüst der Geschichte ermöglicht zum Beispiel neue Dialoge. Ich habe charakterliche Zuspitzungen und Veränderungen vorgenommen und veraltete Bilder, unter anderem sein Frauenbild, hinterfragt. Ich habe das bei jeder Figur versucht, von Pünktchens reichen Eltern, den Pogges, oder Antons Mutter, Frau Gast, angefangen bis hin zu Robert, dem Teufel, der im Roman ausschließlich ein Bösewicht ist.
Spielt Ihr „Pünktchen und Anton“ in einem klar definierbaren Heute?
Rainer: Es ist eine zeitlose Geschichte, es werden aber Themen unserer Zeit verhandelt. Die Kurve in die 30-er Jahre ist durch die Figur Erich Kästner, den Dichter, gegeben, der ein Teil vom Stück wird. Er ist die Brücke in diese alte Zeit. In meiner Fassung führt er als eine Art Spielleiter durch das Stück, der immer wieder agiert, interveniert, kommentiert. Das heißt, die Geschichte von „Pünktchen und Anton“ wird quasi live geschrieben, sie entsteht in dem Moment.
Im Unterschied zu vielen anderen Inszenierungen werden die Kinderrollen bei Ihnen wirklich mit Kindern besetzt. Macht es Spaß?
Rainer: Ja, aber die Arbeit mit Kindern unterscheidet sich nicht wesentlich von dem, wie ich mit Schauspielern arbeite. Die Kinder sind im Entwicklungsprozess ganz intensiv dabei und proben gemeinsam mit den Schauspielern. Diese Begegnung zwischen Schauspielern und Kindern war mir sehr wichtig.
Kästners Roman ist ja auch eine Sozialstudie – es geht um Arm und Reich. Wie kann man Kästners Moral heutig erzählen?
Rainer: Die Inszenierung ist so aufgebaut, dass Arm und Reich in einer synchronen Spielweise gezeigt werden. Man hat die arme Welt von Anton und seiner Mutter stets präsent und zugleich auch das reiche Umfeld Pünktchens. Ich arbeite mit Parallelwelten, weil es ja auch in der Realität so ist. Es war mir wichtig, diese Nähe zu zeigen und für die jungen Zuseher die soziale Kluft klarzumachen. Die Schauspieler werden in ihre Rollen hineinmanövriert, sie sind nicht von Anfang an zum Beispiel das reiche Ehepaar Pogge, weil es mir wichtig war, die Willkür von Schicksal zu zeigen. Wer entscheidet, ob ich arm bin oder reich?
In dieser Spielzeit inszenieren Sie sowohl das Kinder- als auch das Jugendstück der Burg. Große Aufgaben, da ein junges Publikum auch ein sehr kritisches Publikum ist. Was fasziniert Sie daran?
Rainer: Ich mache Theater für Kinder und Erwachsene. Für mich ist dieser Austausch eine wichtige Voraussetzung dafür, dem Genre Kinder- und Jugendtheater seriös begegnen zu können.
Im Frühjahr kommt mit „Hamlet, Ophelia und die anderen“ Ihr Stück für Menschen ab 13 Jahren, ebenfalls im Kasino des Burgtheaters, heraus. Was werden Sie dabei von Shakespeare erzählen?
Rainer: Wir werden den Versuch unternehmen, uns der Shakespeare’schen Welt und dem Stück „Hamlet“ aus der Perspektive der jungen Figuren zu nähern. Jenen Jugendlichen wie Hamlet, Ophelia, Laertes, Rosenkranz oder Güldenstern, die in diesem Stück zentral vorkommen. Wir werden nicht „Hamlet“ eins zu eins zeigen, es wird vielmehr eine Art Überschreibung. Wir verzichten dabei auf die Erwachsenen.
Das Gespräch führte Bernadette Lietzow