Internationale Pressestimmen zum Wahltriumph der AKP in der Türkei

Istanbul (APA/dpa) - Internationale Tageszeitungen kommentieren am Dienstag den Wahlsieg der islamisch-konservativen AKP in der Türkei:...

Istanbul (APA/dpa) - Internationale Tageszeitungen kommentieren am Dienstag den Wahlsieg der islamisch-konservativen AKP in der Türkei:

„Le Monde“ (Paris):

„Recep Tayyip Erdogan hat einen persönlichen Sieg davongetragen. Als Präsident der Türkei wird er sein Land weiterhin als Autokrat regieren und jeden Tag mehr die Bevölkerung polarisieren. Laizisten gegen Religiöse, Türken gegen Kurden, Sunniten gegen Aleviten. Die Türkei Erdogans stellt ein durch seine politischen Entscheidungen und das Chaos im Nahen Osten stark destabilisiertes Land dar. Wird es, besessen von der Kurden-Frage, ein seriöser Partner im Kampf gegen die Terrormiliz des „Islamischen Staats“ IS sein? Wird Erdogan mithelfen, eine politische Lösung in Syrien zu finden? Das ist alles andere als sicher.“

„Magyar Nemzet“ (Budapest):

„Die deutsche Bundeskanzlerin (Angela Merkel) hat auf der Zielgeraden des (türkischen) Wahlkampfs Ankara besucht und damit klargestellt, dass man in Berlin mit Erdogan als verlässlichem Verhandlungspartner rechnet. Tatsache ist, dass es keine Lösung der Flüchtlingsfrage ohne die Türkei gibt. Ankara hat schon vor geraumer Zeit den europäischen Partnern signalisiert, dass die Situation gravierend ist, und die traurige Engstirnigkeit der EU-Staaten zeigt, dass sie das Migrantenproblem erst dann ernst genommen haben, als die Massenwanderung unaufhaltsam begonnen hatte. Die Erdogan-Führung, die Europas Westen bisher zur Hölle gewünscht hat, dürfte sich jetzt sehr bald mit Brüssel auf eine Visa-Liberalisierung einigen - und dies ist vermutlich erst der Anfang. Das große Feilschen um Flüchtlinge kann beginnen. Wie auf dem Basar.“

„Magyar Idök“ (Budapest):

„Die Wahl vom Sonntag war nicht nur für die Türkei, sondern auch für Ungarn und Europa von entscheidender Bedeutung. Die Flüchtlingskrise, die sich nach Europa wälzt, lässt sich nicht ohne den Beitrag Ankaras lösen. Dazu aber braucht man politische Stabilität und eine starke Regierung. Das ist auch für die Zukunft unserer Energieversorgung wichtig. Zu dem auch für uns fundamental bedeutenden Bau der türkischen Pipeline sind die Verhandlungen mit Russland wegen der politischen Unsicherheit (in Ankara) abgebrochen worden - jetzt können sie neu beginnen.

Auch für den türkisch-kurdischen Frieden kann jene Partei in der Regierung am meisten tun, die entschlossen gegen den Terrorismus auftritt und zugleich auf der kulturellen Selbstbestimmung und Erweiterung der Rechte (der Minderheiten) beharrt. Deswegen haben die türkischen Wähler nicht auf die Sirenengesänge des Westens gehört und sich für den eigenen Weg entschieden

„de Volkskrant“ (Amsterdam):

„Erdogans Wahlsieg zeigt, dass sich die Türken vor allem nach Ruhe und Stabilität sehnen. Die Lage im Nahen Osten, das Flüchtlingsproblem, die Terrorgefahr im eigenen Land und das Tauziehen mit Europa - für die Bewältigung all dieser Probleme wollte man offenbar einen starken charismatischen Führer. Dass der es nicht so genau nimmt mit der Meinungsfreiheit oder der Gewaltenteilung, nehmen Erdogans Anhänger offensichtlich hin. Es ist jedoch fraglich, ob er die vom Volk ersehnte Stabilität bringen kann. Der wirtschaftliche Aufschwung, den das Land in seinen ersten Jahren erlebte, ist der Stagnation gewichen. Vom positiven demokratischen Trend, der vor zehn Jahren zum Beginn der Verhandlungen über einen EU-Beitritt führte, ist wenig übrig geblieben. Politische Gegner werden mundtot gemacht, der Kampf mit den Kurden ist wieder aufgeflammt und säkulare Ideale werden mehr und mehr durch islamisches Gedankengut ersetzt.“